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Shanghai, die Bunte

(2015 und älter) Shanghai ist der Wandel per se. Die Stadt verändert sich. Immer. Ständig. Die Stadt mutet ihren Bürgern viel zu. Ich möchte daher zwar nicht in dieser Stadt leben, aber immer wieder kommen, in immer kürzeren Abständen, um die Veränderung hautnah zu erleben. Aber auch um mich der Menschenmenge auszusetzen. Irgendwie sind die Millionen, die in Shanghai leben ständig auf den Straßen, zumindest im Zentrum. Auf jeden Fall auf dem Bund.

Ja, der Bund. Einst promenierten hier die Ausländer und Chinesen war es verboten, auf ihrem Bund spazieren zu gehen. Heute findet man everybody auf dem Bund, die Chinesen und die Touristen und die Ausländer und die Veränderung. Ich setze mich gerne hin, irgendwohin, auf eine Mauer und schaue hinüber zur Skyline von Pudong, überlege, welcher von diesen Bauten neu ist. Oder ich sehe den Menschen zu, die an meinem Aussichtsplateau vorbeigehen, sich schieben und drängen, unvermittelt stehen bleiben, um sich zu fotografieren. Chinesen lieben Selfies, wie sonst niemand, besonders Selfies von mir und dem Bund. Nachts taucht alles ein in Licht, natürlich Reklamelicht, das sich ebenfalls ständig verändert, sogar Bilder malt. Das ist typisch Shanghai. Das Auge kann nicht ruhen. Es wird aufgepeitscht durch immer neue, immer schrillere Leucht-Kombinationen. So geht es die ganze Nacht.

Shanghai ist modern und bunt. Häufig explodieren Feuerwerkskörper. Keine Panik. Da feiert nur jemand ein Fest. Es ist zwar verboten, aber wen stört es schon?

Lautsprecherdurchsagen in der ganzen Stadt: von Schrottsammlern, Eisverkäufern, manchmal auch von der Polizei. Auf jeden Fall ist die Stadt laut. In der Fußgängerzone findet man die besten Läden. Mit Markenartikeln. Mittlerweile sind es chinesisch Marken. Man ist auf den europäischen Geschmack gar nicht mehr angewiesen. Die kleinen, zierlichen Chinesen-Fräuleins kleiden sich apart. Und sie zeigen viel Bein. Die Bettler schleichen sich lautlos vorbei und hoffen auf eine leere Plastikflasche im Papierkorb.

Shanghai ist freundlich, Shanghai ist rücksichtslos, Shanghai ist die Handbewegung in eine vage Richtung, wenn man jemandem nach dem Weg fragt. Der Tourist ist eigentlich nur Beobachter. Er kann auch nicht mehr werden. Man sollte sich damit zufriedengeben. Kann er auch. Es gibt schließlich so viel zu sehen.

Shanghai ist Abendessenkochen auf der Straße. Es ist Drängeln in den Öffentlichen, blaue Flecken im Carrefour und Ansagen an den U-Bahnrolltreppen wie: „Achten Sie auf Ihre Sicherheit! Jetzt bitte nicht aufs Handy schauen!“ Doch kaum jemand richtet sich danach. Shanghai ist der beißende Rauch von Straßengrills.

In Shanghai ist vieles fußläufig zu erreichen. Und wenn nicht, kann man in die Metro einsteigen. Ein einfaches System. Das funktioniert. Vielleicht probiert man „das U-Bahn-System“ nicht gerade in der rush hour aus.

Noch immer findet man in Shanghai Männer mit Schlafanzug. Im Sommer rollen sie die Schlafanzugjacke nach oben und zeigen Bauch. Nun ja, nicht gerade ästhetisch. Und die Partei ist auch dagegen. Es wird nicht mehr so viel auf die Straße gespuckt, wie das früher einmal war. Die Partei hat für Ordnung gesorgt.

Nur die Autofahrer sind nicht glücklich in Shanghai. Sie sind eher zum Warten verdammt. Aber sie sind auch selbst schuld. Man muss ja nicht gerade mit dem Mercedes in die Innenstadt fahren.

Im Park bewegen sich die Alten rhythmisch, in einer Kneipe ertönt Jazzmusik. In Shanghai gibt es alles. Auch vieles, was man sich gar nicht wünscht.