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Erkenntnis

 

Ein Sufi saß auf der Erde und hatte eine Schar von Zuhörern um sich geschart. Diese baten ihn, aus seinem Leben zu erzählen und ihnen die wichtigsten Weisheiten zu offenbaren.

Der Sufi musterte die Fragesteller, dachte lange über ihr Anliegen nach und antwortete ihnen schließlich:

In meiner Jugend begehrte ich auf. Ich fühlte mich als Revolutionär. Wenn man jung ist, fühlt man sich stark und kräftig. Man hat viele Ideen und will diese umsetzen. Ich war schon damals ein sehr gläubiger Mensch, daher betete ich von Anfang an zu Gott. Ich formulierte nur ein einziges Gebet. Dieses lautete: Herr gibt mir Kraft, die Welt zu verändern. Ich weiß nicht, ob Gott mein Gebet gehört hat.

Als ich die Mitte meines Lebens erreicht hatte, waren meine hochfliegenden Pläne Vergangenheit. Ich stellte fest, dass mein Leben schon zur Hälfte abgelaufen war. Ich hatte in dieser Zeit keine Revolution angeführt. Ich befürchte, dass ich in dieser Zeit, nicht einmal eine einzige Seele gerettet hatte. Ich habe auch keine Regierung und keine Organisation auf dieser Welt verändert. So hat sich auch die Welt nicht verbessert. Konsequenterweise überlegte ich, ob ich nicht anders beten sollte. Ab dieser Zeit betete ich folgendermaßen: Herr hilf mir, dass ich die Menschen, denen ich begegne verändern kann. Gib mir deine Kraft und deinen Segen, wenn ich mit meinen Freunden und mit meiner Familie spreche. Wenn es mir gelingt, diese Menschen zu verändern, dann will ich zufrieden sein.

Nun, da ihr mich fragt nach den Erkenntnissen meines Lebens, muss ich sagen, dass ich nun ein alter Mann bin. Mein Leben neigt sich seinem Ende zu. Meine Tage sind gezählt. Und ich muss feststellen, dass ich weder die Welt noch meine Freunde verändert habe. Nunmehr erkenne ich, wie töricht meine Gebete waren. Ich musste also mein Gebet wieder verändern. Ich wollte nun ein Gebet formulieren, das endlich Wirkung zeigt. Nun lautete mein Gebet folgendermaßen: Herr gibt mir die Kraft und die Gnade, mich selbst zu verändern. Denn nur, wenn ich mich verändere, kann ich auch die Welt verändern.

Euch will ich sagen: Wenn ich von Anfang an so gebetet hätte, wäre mein Leben nicht vertan gewesen. So aber ist es.