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Erleuchtung

 

Es war damals üblich, dass Menschen, die in ihrem Leben eine bittere Enttäuschung erlebten in ein Kloster gingen, um dort mit sich ins Reine zu kommen.

Ein junger Mann litt an einer großen Enttäuschung. Er war des Lebens überdrüssig, war enttäuscht von seinem bisherigen Leben. Er stand vor der Entscheidung, ob er Selbstmord begehen sollte oder ob er die Erleuchtung findet. Aus diesem Grund begab er sich in ein Kloster, meldete sich dort beim Abt und erklärte ihm seine Situation. Der junge Mann war sich schon darüber im Klaren, dass es hauptsächlich an ihm selbst lag. Er hatte keine Ausdauer, um zu meditieren und nachzudenken. Er konnte nicht einmal ein Studium durchhalten. Er wurde immer wieder in das Weltliche gezogen, suchte dort den Genuss und die Zerstreuung. Obwohl es ihn selbst enttäuschte und er es als schmerzlich empfand, konnte er sich aus der Welt nicht befreien. So fragte er den Abt: „Gibt es für Leute wie mich nicht einen Weg, um auf schnelle Art und Weise zur Erleuchtung zu gelangen?“

Der Abt dachte darüber nach. Da er den jungen Mann sympathisch und ehrlich fand fragte er ihn, was ihn am Leben bisher am meisten beeindruckt, womit er sich am meisten beschäftigt habe.

Der junge Mann konnte die Frage nicht richtig beantworten, denn er hatte eigentlich für nichts Interesse aufgebracht. Da seine Familie sehr reich war, gab es keine Notwendigkeit, etwas zu lernen und später zu arbeiten. Dann sagte er aber noch: „Ich glaube das einzige; was mich in meinem Leben bisher interessiert hat, ist das Schachspielen. Damit habe ich relativ viel Zeit verbracht.“

Der Abt bat daraufhin seinen Assistenten einen bestimmten Mönch zu holen. Er solle auch Schachbrett und Figuren mitbringen. Nach einiger Zeit kam der Mönch mit dem Brett und der Abt stellte die Figuren auf.

Er ließ sich von seinem Assistenten sein Schwert bringen und zeigte dieses den beiden Männern. Er sprach ernsthaft zu den beiden: „Mönch, du hast mir, deinem Abt; Gehorsam gelobt als du in das Kloster eingetreten bist. Diesen Gehorsam fordere ich jetzt von dir. Du wirst mit diesem jungen Mann eine Partie Schach spielen. Aber wenn du verlierst, werde ich dir mit diesem Schwert den Kopf abschlagen. Du musst jedoch keine Angst haben, denn ich verspreche dir, dass du im Paradies erwachen wirst. Wenn du allerdings gewinnst, dann werde ich diesem Mann hier den Kopf abschlagen. Er hat sich bisher nur für das Schachspielen interessiert. Wenn er verliert, dann verdient er auch den Verlust seines Kopfes.“

Die beiden Kontrahenten sahen den Abt entsetzt an. Sie verstanden, dass es der Abt ernst meinte. Die Konsequenzen waren ihnen klar. Der Verlierer hatte keine Gnade zu erwarten. Und so begann das Spiel.

Bei den Eröffnungszügen spürte der junge Mann, wie Angst in seinem Herz hochkroch, wie sich Schweiß auf seiner Stirne bildete. Er spielte um sein Leben. Das Schachbrett war seine gesamte Welt und damit sein Schicksal. Deshalb konzentrierte er sich darauf, so stark wie er das noch nie gemacht hatte. Zuerst sah es aus, als wären die Züge des jungen Mannes verhalten, eher fehlerhaft. Er kam in die Defensive. Doch dann machte sein Gegner einen schweren Fehler und der junge Mann konnte seine Verteidigungslinie verstärken und den Angriff starten. Damit verschlechterte sich die Position des Mönchs und nach einiger Zeit konnte man unschwer erkennen, dass der Mönch verlieren wird. Der junge Mann war zuerst euphorisch, weil er seinen Sieg vor sich sah. Er sah den Mönch verstohlen an. Er blickte auf ein Gesicht, dem er Intelligenz und Aufrichtigkeit entnahm. Er bemerkte, dass sein Gegner ein wertvoller Mensch war. Ganz im Gegensatz dazu sein eigenes, eigentlich wertloses Leben, das er schon hatte wegwerfen wollen. Ihn bekam ein Gefühl des Verständnisses, des Bedauerns. Und so beging er absichtlich einen Fehler und noch einen. Diese Fehler verschlechterten seine Stellung, seine Verteidigung brach zusammen und sein Gegner hatte eigentlich freie Bahn für einen Sieg.

In diesem Augenblick stieß der Abt das Brett um und die Figuren fielen auf den Boden. Die beiden Schachspieler waren verstört, konnten sich diese Entwicklung nicht erklären, sahen den Abt fragend an. Der erklärte dann langsam: „Bei diesem Spiel gibt es keinen Gewinner und keinen Verlierer. Aus diesem Grund kann hier auch kein Kopf fallen. Im Leben sind zwei Dinge notwendig: völlige Konzentration und Mitgefühl. Beides gehört zusammen. Du hast heute beides gelernt. Zunächst warst du völlig auf das Spiel konzentriert. Aber du konntest dennoch Mitgefühl empfinden. Schließlich warst du sogar bereit, dein Leben zu opfern. Ich schlage dir vor, dass du einige Monate im Kloster bleibst und an unserer Ausbildung teilnimmst. Ich bin mir sicher, dass dir dann die Erleuchtung gewiss sein wird.“

Der junge Mann folgte dem Rat des Abts und er erlangte in der Tat die Erleuchtung