Wo ist Gott?

Wo ist Gott?

Wo ist Gott?

Ostern ist für mich das wichtigste Fest des Jahres. Und besonders wichtig ist mir der Karfreitag. Obwohl es an diesem Tag wirklich nichts zu feiern gibt. Es ist ein nichtöstlicher Tag, der von Ostern nur zwei Kalendertage entfernt ist.

Es ist zu Recht ein Tag der Trau­er. Mit gutem Gewissen können wir uns an diesem Tag der traurigen Realität der Welt bis hin zum Ende aller Gewissheiten hingeben. Es ist ein Tag, an dem Hilf­lo­sig­keit, Angst und Ver­zweif­lung ih­ren Platz ha­ben – Ver­zweif­lung über per­sön­li­ches Leid, Ver­zweif­lung über den Zu­stand der Welt.

Der Kar­frei­tag ist ein Tag, der das Leid und die Lei­den­den ehrt und wür­digt. Es ist ein grau­sam ehr­li­cher Tag, ein Tag oh­ne Hoff­nung auf Hal­le­lu­ja und Auf­er­ste­hung. Es ist ein Tag, der bit­ter spü­ren lässt: Der Tod ist et­was End­gül­ti­ges. Im Karfreitag keimt nicht einmal die Idee der auf Entstehung.

In den Kir­chen ver­klingt die Or­gel, die Bi­bel wird zu­ge­schla­gen, die Lich­ter ge­hen aus; es herrscht Stil­le, To­des­stil­le.

Ich bin an diesem Karfreitag in Oberasbach, einer schlichten aber dennoch offenen Kirche, in der mein „Weg der Kreuze“ ausgestellt ist. Jedes einzelne Bild gibt ein Plädoyer für den Karfreitag ab. Das Kreuz und damit das Leiden stehen im Vordergrund.

An diesem Tag gedenken wir einen Jus­tiz­mord, be­gan­gen an ei­nem Je­sus von Na­za­reth vor zwei­tau­send Jah­ren. Die Er­zäh­lun­gen dar­über, Evan­ge­li­en ge­nannt, wur­den kurz nach der Ka­ta­stro­phe des Jü­di­schen Krie­ges im Jahr 70 ge­schrie­ben – der kei­ne Zei­ten­wen­de war, son­dern ein Zei­ten­en­de: Der Tem­pel war ver­nich­tet, das Land zer­stört, ein gro­ßer Teil der Be­völ­ke­rung von der rö­mi­schen Be­sat­zungs­macht ab­ge­schlach­tet wor­den.

Weil die Rö­mer nicht ge­nug vom Kreu­zi­gen be­kom­men konn­ten, war so­gar das Holz für die Kreu­ze knapp ge­wor­den. Heute fehlt den Kriegsparteien in unserer modernen Welt manchmal die Munition.

Die Evan­ge­li­en sind Trau­ma-Be­wäl­ti­gungs­li­te­ra­tur. Ge­schil­dert wird zu­erst ein­mal das Trau­ma von Gol­ga­tha, der Stät­te der Kreu­zi­gung: Die Son­ne ver­liert ih­ren Schein, die Fins­ter­nis sackt über al­les. Die Zu­kunft hat kei­ne Zu­kunft mehr.

Der Kar­frei­tag bringt ei­ne schmerz­haf­te Er­kennt­nis: Da ist kei­ne über­ir­di­sche All­macht, die von oben ein­greift, die das Schlim­me und das Schlimms­te ver­hin­dert – die klas­si­sche re­li­giö­se Hoff­nung wird ent­täuscht. Im Kar­frei­tags­evan­ge­li­um schreit der Je­sus am Kreuz, dass Gott ihn ver­las­sen hat: „Mein Gott, mein Gott, war­um hast du mich ver­las­sen?

Die­ser Schrei ei­nes Ein­zel­nen ist der Schrei der vie­len. Kar­frei­tag ist al­so der Tag der Gott­ab­we­sen­heit und der Gott­lo­sig­keit.

An die­sem Tag wird der an­geb­lich All­mäch­ti­ge nicht ver­tei­digt, an die­sem Tag ist die Ab­we­sen­heit Got­tes an­we­send. An die­sem Tag rich­tet sich der Blick auf die Gott­ver­las­sen­heit der Welt; die­ser Tag gibt de­nen recht, die sa­gen: Da ist kein Gott.

 

In die­sen Wo­chen des Jah­res 2025 ge­den­ken wir der Be­frei­ung der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger vor acht­zig Jah­ren. Auch für mich steht ein Besuch auf dem Programm. Ich will mich der Trauer dieses Ortes aussetzen. Dort und überall treibt die Menschen die Fra­ge um: „War­um hast du ge­schwie­gen, Gott?“ Auf diese Frage folgt eine lange Stille, weil es ei­ne be­frie­di­gen­de Ant­wort nicht gibt.

Der Glau­be an Gott ver­langt ent­we­der un­ge­heu­re Nai­vi­tät oder ein un­glaub­li­ches Rin­gen. Das Kreuz ist der Iden­ti­fi­ka­ti­ons­punkt für Le­bens- und To­des­er­fah­run­gen, die nicht auf­lös­bar sind. Es ist der Ort für die War­um-Fra­gen, die un­be­dingt ge­stellt wer­den müs­sen, auch wenn sie kei­ne letz­te Ant­wort fin­den. War­um ver­rät ei­ner sei­nen bes­ten Freund? War­um wäh­len so vie­le Men­schen ih­re ei­ge­nen Zer­stö­rer? War­um ha­be ich das bloß ge­tan? Mein Gott, mein Gott, war­um hast du mich ver­las­sen? Soll­te man Fra­gen, die kei­ne Lö­sung fin­den, bes­ser gar nicht stel­len? Im Ge­gen­teil! Sie sind le­bens­not­wen­dig und dar­um ös­ter­lich. Sie sind Le­ben. Nicht mehr zu fra­gen ist der Tod.

Was und wann ist Os­tern für die Mut­ter, bei der die Po­li­zis­ten mit der Not­fall­seel­sor­ge­rin an der Tür ste­hen und sa­gen: Ihr Sohn ist tot! Wo und wann ist Auf­er­ste­hung für den Mann, der im kirch­li­chen Kin­der­heim sa­dis­ti­sche Ge­walt er­lebt hat und der beim Wort Gott nur noch Ekel emp­fin­det? Wo und wann ist Hoffnung für einen Menschen, jung oder älter, der an Krebs tödlich erkrankt ist? Was und wenn ist Auf­er­ste­hung für die Gei­sel in Ga­za und die hun­gern­de Fa­mi­lie dort? Soll und kann man die­se Men­schen in ih­rem Leid wirk­lich trös­ten mit dem Satz „Du kannst nicht tie­fer fal­len als in Got­tes Hand“?

Os­tern ist ein un­fass­ba­res, ein un­mög­li­ches Fest. In den Evan­ge­li­en steht der hin­ge­rich­te­te und be­gra­be­ne Je­sus nach ein paar Ta­gen wie­der le­ben­dig da, als Sie­ger über den Tod. Das sei, so sagt es das Chris­ten­tum, das Ur­mo­dell für die Auf­er­ste­hung auch des nor­mal Sterb­li­chen. Auf­er­ste­hung be­deu­tet, in den Glau­ben einzutauchen und eben zu glauben, dass es sie gibt. Sie ist nicht ei­ne Wie­der­be­le­bung des Ver­gan­ge­nen; sie ist das Wun­der neu­er Hoff­nung in den al­ten hoff­nungs­lo­sen Si­tua­tio­nen. Auf­er­ste­hung ist, wenn man das Le­ben wie­der spürt.

(nach einem Text in der SZ.)

Ein Hauch vom Heiligen Geist

Ein Hauch vom Heiligen Geist

Es ist eine Zeit vor Pfingsten. Seit Susannes Tod ist mir die Freude abhandengekommen. Sogar am Schreiben. Ich habe Zeitung gelesen. Kein Grund zu einer Freude. Und doch, ich fühle mich herausgefordert. Was ist aus unserer Gesellschaft geworden? Überall auf der Welt. Was ist aus uns Menschen geworden?

Bald werden sie wieder einwandern: Die Parther, Meder und Elamíter, die Bewohner von Mesopotámien, Judäa und Kappadókien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrýgien und Pamphýlien, von Ägypten und dem Gebiet Líbyens nach Kyréne hin, auch die Römer, die Juden und Proselýten, die Kreter und Áraber. So war das damals zu biblischen Zeiten. Heute wäre vom Irak und von Iran, Syrien und der Türkei die Rede. Die biblische Pfingstgeschichte spielt im Melting Pot Jerusalem. Es ist dort ein buntes Völkergemisch mit Menschen aus aller Herren Länder unterwegs.

Das Besondere ist: Es kommt zu einer großen, wundersamen Verständigung unter ihnen. Pfingsten ist das christliche Fest, das daran erinnert. Ich merke mir: Plötzlich haben sich die Menschen verstanden, nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich. Und sie haben sich zugehört.

Dabei war diese Entwicklung wirklich nicht abzusehen: Die Apostel haben sich nach dem Tod des Jesus von Nazareth verängstigt, verwirrt und kleinlaut hinter verschlossene Türen zurückgezogen, während draußen auf den Straßen ein „Menschenauflauf“ stattfindet. Da fährt ein neuer Geist in sie, und sie begreifen, dass Abschottung, Verkriechen und Selbstabschließung nicht der geeignete Weg ist. Sie überwinden ihre Angst, sie mischen sich unter die Völker, sie reden davon, dass Jesus nicht tot, sondern lebendig sei. Und sieh da: Es geschieht ein Kommunikationswunder; jeder Zuhörer kann sie in seiner Muttersprache verstehen. Die Bibel nennt dies das Wunder des Heiligen Geistes.

Ich sehne mich nach einem solchen Wunder. Ich habe heute in der Zeitung von Russland und Ukraine gelesen, von Slowenien, von Ungarn, von Schweden und auch von Deutschland. Es sind Geschichten des Nichtverstehens. Daraus entsteht ein Klima der Provokation, der Angst, der Beschädigung.

Der Geist des Jahres 2024 ist kein Geist der Offenheit, er überwindet keine Barrieren, im Gegenteil: Er grenzt aus, er trennt, er verachtet, er verleugnet und verleumdet.

Wie die Jünger haben wir Angst. Deshalb schotten wir uns ab. Wir sprechen von „Festung Europa“. Darunter verstehen wir, dass unser Kontinent die Zugbrücken hochziehen kann und alles wird gut. Die Flüchtlinge sollen nach Staaten wie Ruanda transportiert werden, die viel Geld dafür bekommen, dass sie eine Asylprüfung vornehmen und dann die Flüchtlinge bei sich aufnehmen oder nach irgendwohin weiterschicken. Großbritannien hat dieses Modell entwickelt und so das winzige Ruanda zu einem big player in der Flüchtlingspolitik gemacht.

Es wird nicht funktionieren. Außerdem wirkt diese Abschottungspolitik -sicherlich ungewollt – nach innen in die Gesellschaft hinein. Die suggeriert den Menschen: Ihr seid in Frieden und Sicherheit. Aber es kostet Kraft und Strenge und Härte. Kein Mitleid erwünscht. Mauern, Zäune und Grenzkontrollen sollen eigentlich Ängste sedieren, aber in der Realität wecken sie diese umso mehr. Uns werden auch unsere Widersprüche klar vor Augen gehalten: Unsere Mobilität innerhalb der EU und auch die Mobilität ihrer Bürger nach draußen in die weite Welt soll grenzenlos sein. Auch die Finanz- und Warenströme sollen freizügig funktionieren. Nur nicht die Migrantenströme. Das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil, wir untergraben die Freiheit, die wir eigentlich schützen wollen.

Nun stelle ich mir die Frage: Könnte ich dieses Problem lösen? Die einen aufnehmen und integrieren, die Anderen abhalten? Habe ich die richtigen Ideen? Ich weiß es nicht. Aber ich wünsche mir, dass der Heilige Pfingst-Geist uns erfasst, unsere Angst vertreibt, uns verstehen lässt. Vielleicht finden wir dann Lösungen. Ich wünsche mir einen Hauch von Heiligem Geist in den nächsten Pfingsttagen.


Fünf Weise reisen zu Gott

Fünf Weise reisen zu Gott

Die Geschichte der Heiligen Drei Könige ist bekannt. Aber vielleicht hat sich alles ganz anders zugetragen. Es war ein König, irgendwo auf der Welt. Er hatte die Vision, dass ein Gott geboren wird.

Er schickt die fünf weisesten Weisen seines Landes los, um den König zu suchen und zu finden.

Ein Stern leitet sie.

Es wird eine lange Reise. Unterwegs erkennen die Weisen, dass jeder eine andere Vorstellung von Gott hat. Jeder sucht eigentlich einen anderen Gott. Kein Wunder, dass auch jeder seinen Gott findet, aber an einem anderen Ort.

Am Ende erkennen sie, dass es der gleiche Gott ist, war und sein wird. Es gibt nur einen Gott.

 

Ein Geschenkbüchlein zum Lesen und Vorlesen. In einer neuen Sprachform.

 

Psalmen zum Jubeln, Freuen und Danken

Psalmen zum Jubeln, Freuen und Danken

Psalmen zum Jubeln, Freuen, Danken

Die Form eines Psalms kann ein Gedicht oder ein Essay sein. In ihm spiegelt sich unser Leben. Mit einem Gedicht können wir über unser Leben reflektieren.

Nun sind Psalmen auch Gebete. Sie sind damit sehr authentisch. Die alten Psalmen der Bibel sind „ungeschminkte Meinungen“ von Menschen der damaligen Zeit, von den Autoren. Wir müssen nicht mit allen übereinstimmen, wir können uns aber darüber freuen und nachdenken. In diesem Sinne kann man auch selbst Psalmen verfassen, sozusagen das eigenen Befinden kundtun.

Gebete und damit auch die Psalmen wenden sich an jemanden: an Gott. Glaube ich an Gott? Ja, ich glaube an Gott und zweifle an ihm. Ich bin ihm nahe, aber auch sehr fern. Ich habe aber bemerkt, dass ich selbst in Zweifelzeiten Gebete formuliere, vielleicht nur Stoßgebete. Aber sie sind immer an jemanden gerichtet. Ich bete also tatsächlich zu Gott – Zweifel hin, Zweifel her. Ich hoffe also inständig, dass es Gott gibt. Es tut mir gut. So habe ich mich entschieden, nicht nur die Psalmen der Bibel zu lesen, sondern auch selbst Psalmen zu schreiben.

Die Psalmen sind nicht immer erbaulich. Manchmal bescheren sie dem Leser auch schlechte oder traurige Gedanken. Deshalb habe ich in diesem Buch die „Guten“ Psalmen zusammengetragen: Sie sollen den Leser in eine optimistische Welt führen.

Der Weg von Karfreitag nach Ostern

Der Weg von Karfreitag nach Ostern

Er lag in einem kahlen Raum.
Die Farbe, ein stumpfes Gelb blätterte von der Wand ab,
machte weißen Flecken Platz.
Ein Nagel, an dem ein kleines Kreuz hing,
aus Holz,
sah billig aus.
Es spendete keinen Trost.
Wie kann ein Stück Holz schon Trost spenden?
Zwei Patienten lagen neben ihm in diesem Raum,
alle drei waren sie vom Tod gezeichnet.
Sie sprachen nicht mehr.
Es gab auch nichts mehr zu sagen.
Sie plagte die gleiche Krankheit, unheilbar.
Sie waren an ihr Bett gefesselt.
Er trug die Sünden der Menschheit.
Chronisten werden einmal behaupten, dass er nur Gutes getan habe.
Die anderen beiden nicht. Und doch glichen sich ihre Schicksale.
Ein leises Stöhnen löste sich aus seinem vertrockneten Mund.
Eine Schwester reichte ihm zu Trinken,
doch sie verschüttete das meiste.
Seine Lippen bewegten sich langsam und formten letzte Worte, die keiner verstand.
Der Geist verließ den Körper und das Herz setzte aus.
In dem Zimmer herrschte leise Betriebsamkeit.
Das Bett wurde herausgerollt.
Der Platz an der Wand blieb frei.
Die Farbe der Wand verlor noch etwas mehr von ihrem Glanz.
Aber das könnte auch nur Einbildung sein.
Ein schmutziger Lappen lag in einer Ecke,
vielleicht vergessen vom Putzdienst, der ab und zu das Zimmer säuberte.
Niemand achtete auf das Wetter.
Auf dem Klinkflur strahlten Neonröhren.

Der leblose Körper wurde gebadet, gereinigt, gesalbt, angezogen.
Das Haar wurde gekämmt und die Mundwinkel gerichtet.
Bleich liegt der Mensch im Sarg und wirkt gleichzeitig friedlich.
Wächsern, aber sorgenfrei. In diesem Zustand gibt es keine Wünsche mehr.
Es gibt nichts, was man für den Toten tun könnte,
es sei denn, man hat es zu Lebzeiten getan.
Höchstens noch Gedenken.
An ihn denken.
Ihn sich vorstellen,
aber das gelingt nicht so richtig.
Der Tod hat den Menschen deformiert, ihn seiner Seele beraubt.
Auch feierliches Orgelspiel tröstet nicht.
Der Tote hört es nicht mehr,
die Trauernden nehmen es nicht wahr.
Nur noch Gedanken beschäftigen sich mit dem Verstorbenen,
sie erreichen ihn nicht.
Tiefe Wolken stehen am Himmel und verschatten das Grab.
Sauber ist es geschaufelt,
ein rechteckiges Loch im Gewand der Mutter Erde.
Es wirkt wie eine Wunde.
Aber es ist nur vorübergehend.
Bald werden Pflanzen wieder die Wunde der Erde überdecken,
wie ein natürliches Pflaster die Vergangenheit ausmerzen.
Der Sarg wird in die Erdwunde gesenkt.
Und Sand und Lehm über ihn angehäuft.
Die eine oder andere Blume folgt in die Tiefe der Erde.
Das sind Grüße, die allerdings nichts mehr bewirken können.
So sterben schließlich auch die Blumen ab und schmücken den Sarg,
ehe noch mehr Erde alles verdeckt und erstickt.
Die Wolken öffnen sich etwas,
ein leichter Nieselregel legt sich über das Land.
Das ist zu dieser Zeit nichts Außergewöhnliches.
Dann liegt das Grab verlassen und die Nacht senkt sich über die Erdwunde.
Der Nieselregen löscht alle Spuren aus.
Wie ein Schwamm die Schrift auf der Tafel auswischt.
Wie ein Rechen, der die Spuren im Sand unkenntlich macht.
Wie ein Wasser aus einem Schlauch, der eine Straße vom Unrat befreit.

Gemeinhin ist man der Meinung,
dass mit dem Versenken des Sarges ein Ende eingetreten ist.
Für die einen ist das Ende umfassend.
Andere glauben, dass jedes Ende auch einen Anfang beinhaltet.
Aber vielleicht muss man ein gewisses Ende akzeptieren,
den Tatsachen ins forschende Auge schauen.
Der Mensch existiert nicht mehr.
Neben dem Geburtsdatum steht das Sterbedatum,
neben dem Anfang steht das Ende.
Neben der Geburt steht der Tod.
Dies soll ein Anfang sein?
Es ist nicht leicht zu glauben.
Und zu Lebzeiten ist es nicht erlebbar.

So geht ein Mensch gebückt und traurig auf dem Weg,
der zum Grab führt.
Der Grabschmuck ist vom Regen durchweicht,
schmutzig geworden.
Die Hände des Menschen beginnen das Grab etwas zu säubern.
Sie legen dorthin Blumen, die mitgebracht sind.
Die Erde bebt unter dem Druck der Blumen.
Diese scheinen plötzlich tonnenschwer zu sein.
Der Mensch spürt,
wie im Schatten des Grabes plötzlich eine Bewegung entsteht,
klein zuerst, ganz fein, unscheinbar.
Aber schließlich kräftiger wird,
wächst, gedeiht, sich entwickelt, Macht erzeugt.
Es wirkt wie ein Feuer, das noch zugedeckt ist,
aber den Deckel umzingelt, sich befreien will aus seinem Erdgefängnis.
Der Mensch spürt Angst.
Er spürt Kräfte, die er nicht kennt.
Und er wendet sich ab vom Grab, versucht Distanz zu schaffen.
Aber bald merkt er, dass es Dinge gibt, zu denen man keine Distanz schaffen kann.
Das Beben der Erde holt ihn ein.
Der Feuerschein überbietet in seiner Helligkeit
die Dunkelheit der Wolken und trocknet sogar den leichten Regen.
Urgewalten scheinen miteinander zu kämpfen,
neue Welten entstehen.
Neue unbekannte Dimensionen werden geboren.
Sie bestehen nicht aus Beben,
nicht aus Feuer,
werden aber aus der lichten Seele der Erde und dem Willen des Himmels geformt.
Der Mensch will gehen, aber eine Gestalt in Licht steht auf dem Weg.
Sie hat keine Formen, die man beschreiben könnte.
Die Helligkeit ist brillant und diffus in einem.
Sie ist konzentriert und breitet sich dennoch aus.
Der Mensch steht und staunt und fühlt auch Angst,
die erst allmählich einer Hoffnung weicht.
Er weiß nicht,
ob er das Geschehen begreifen kann.
Schließlich gibt es Dimensionen,
die weit über das hinausgeht,
was ein Mensch erfassen kann.
Dann hat er verstanden, dass der Tode nicht mehr tot ist.
Die Erde hat ihr Vermächtnis entlassen,
der Himmel hat sich geöffnet, um es aufzunehmen.
Doch es ist keine Fragen zwischen oben und unten, rechts und links.
Es ist eine Frage zwischen Vorstellbar und Unvorstellbar.
Und es ist eine Frage zwischen Leid und Freude.
So wird das Unvorstellbare zur Freude.
So wird die Helligkeit des Neuen zum Trost.
So wird das Erleben des Tages zum Vermächtnis der Gedanken.
Wir enden mit Amen.

Bilderrahmen am Gartenzaun: Trauer und Leere

Bilderrahmen am Gartenzaun: Trauer und Leere

So erscheint mir zur Zeit das Leben. Voller Trauer und Leere. Daher sind die Bilderrahmen an meinem Zaun auch leer. Die Trauer kann aber auch Farben haben. Ein Hoffnungsschimmer: Daher bunte Bilderrahmen.