Auckland, ein bisschen hipp, ein bisschen langweilig

Auckland, ein bisschen hipp, ein bisschen langweilig

(2017) Good morning, Auckland. Es kann vorkommen, dass man sehr früh morgens in Auckland ankommt. Das Hotelzimmer ist noch nicht gerichtet. So trottet man verschlafen, nach 30 Stunden Flug durch die Stadt. Vielleicht erhält man zu dieser Stunde den besten Eindruck der Stadt. Natürlich sauber. Mülltrennung auch in den städtischen Abfallkörben. Mehrfarbige, großflächige Straßenmarkierungen für den dünnen Verkehr. Grün gestrichen heißt Fahrradweg.

Natürlich die Queens. Sie ist die Hauptverkehrsachse durch die Stadt bis zum Hafen. Mit vielen Läden und Schaufenstern. Aber man kann sich die Neugierde sparen. Die Auslagen sind wenig attraktiv. Die Menschen, auch später, wenn sich die Stadt belebt, sind normal. Also nicht mondän, nicht gestylt, nicht abgerissen, nicht ungewaschen. Normal, was der Stadt einen provinziellen bis langweiligen Eindruck vermittelt. Aber niemand regt sich darüber auf. Es ist so. Später fallen die vielen Dicken auf, die Maori-Stämmigen, Miniröckchen fallen weniger auf. Der Verkehr übt sich in einer Höchstgeschwindigkeit von 30 – nicht, weil es so viel Autos gäbe, sondern weil man anscheinend so viel Zeit hat. In Auckland kann man einfach keinen Herzinfarkt bekommen. Hektik ist anscheinend verboten.

Natürlich hat Auckland eine Skyline mit ein paar Wolkenkratzern, die aber nicht hoch und nicht reich an Zahl sind. Ansonsten kann man feststellen, dass Auckland aus lauter Einfamilienhäusern besteht mit etwas Garten darum herum und darum herum ein Holzzaun . Der Holzzaun ist meistens ungepflegt, der Garten der Natur überlassen und das Häuschen etwas dürftig. Man befürchtet, dass ein kleiner Sturm die Holzlatten wegblasen könnte.

Irgendwann befindet man sich am Hafen. Da gibt es zwar nicht mehr viel Seefahrt, aber die Menschen flanieren – meistens Touristen, aber am Wochenende auch die Inländer-Familien. Am Hafen ist immer was los, und wenn man sich eben an Fish und Chips labt. Wie heute üblich, wurden die Hafenanlagen umgebaut in Freizeitparks, und in schicke weiße, fast futuristisch anmutende Hotels und Apartmenthäuser. Beeindruckend auch immer die Anzahl und Größe von Yachten. So weiß man verlässlich, auch in Auckland ist das Geld zuhause.

Ein Muss ist der Sky Tower, der nur 220 Meter hoch ist, ein Muss, weil man hier oben die Stadt einschätzen kann, wieviel Stadt- und wie viel Provinzflair sie beinhaltet. 5 zu 1 für Provinz.

Früher gab es in Neuseeland keine Kultur, weil man mit Schafehüten beschäftigt war, heute sprießen überall Galerien und Museen. In Auckland befindet sich die Art Gallery in der Wellesley Road. Ein alter Bau mit einem neuen sehr gut gelungenen Anbau, was zu einer durchaus ästhetischen Mischung führt. Wichtig die Maori-Portrait-Ausstellung. Man kann sich mit dem Sinn von Tätowierungen beschäftigen.

Der Autea-Platz ist so etwas wie der Mittelpunkt der Stadt. Eine Mischung mit Kolonialarchitektur und modernen Beton- und Glasbauten. Es gibt viele Sitzgelegenheiten und manchmal zieht eine Kapelle auf.

Es gibt zwei Buslinien, die Outer- und die Inner-Line, die die gesamte Stadt durchfahren. Einsteigen und sitzen bleiben. So wird man viele Sichten der Stadt kennenlernen. Insbesondere mit der Outer Line kommt man in viele Vororte der Stadt. Schnell wechseln schicke Villenvororte mit Holzhüttenflair. Auch einige Apartmenthäuser gibt es. An den Vierteln kann man die Gehaltsklasse der Einwohner unschwer erkennen.

Das Auckland Museum ist sehenswürdig, schon der Bau geschickt modernisiert. Die Auckländer sind vom Eintritt befreit, von den sonstigen Neuseeländern erwartet man eine freiwillige Spende und von Ausländern 25 NZ$. Neben moderner Kunst und einer Maoriabteilung wird im Kriegsmuseum die heldenhafte Kriegsführung der Neuseeländer dargestellt. Die Neuseeländer waren von den Weltkriegen weit entfernt, aber gerade durch ihre Teilnahme definieren sie ihre Nationalität. Es dauert eine Weile bis man das begriffen hat.

Natürlich gibt es viele Kneipen und Restaurants in der Stadt. Wenn man aber ohne Plan nach einem geschmackvollen Essen sucht, landet man fast automatisch bei einem Asiaten oder in einem Fast Food Etablissement. Es gibt besten Fisch, wunderbare Steaks, aber dennoch die Esskultur muss man richtig suchen.

Drei Tage Auckland genügen. Ich würde auch nicht in Auckland leben wollen, lieber eine Stunde entfernt auf der Halbinsel Coromandel. Dort kann man auch die schönsten Sonnenuntergänge genießen.

Die Maoris nennen das Land Aotearoa, das Land der langen weißen Wolke; trifft fast überall zu, jedoch nicht in Auckland. Dort gibt es häufig überhaupt keine Wolken.

Auf Neuseeland leben 40 Millionen Schafe und 4,4, Millionen Menschen. Davon 1,4 Millionen in Auckland. 13% der Einwohner bezeichnen sich als Maori.

Beijings Charme kontra Beijings Verschmutzung

Beijings Charme kontra Beijings Verschmutzung

(2006) Beijing schwitzt. Wir auch. Wir sind irritiert, weil wir wenig sehen: Sand und Pollution hüllen uns ein. Die Straßen sind verstopft. Weil sie immer verstopft sind und weil den Autos eben auch Sand und Pollution zusetzen. Endlich im Hotel. Hier können wir uns mit Essen beschäftigen. Köstlichkeiten der chinesischen Küche gibt es überall. Die Stadt erscheint uns wie unter einem Schleier. Es wird viel gebaut in Beijing. In Beijing wird immer gebaut. Alle zehn Jahre erfindet sich die Stadt neu. Und man nimmt nicht einmal Rücksicht vor den Stadtmauern, vor den Hutongs, die die Stadt prägten, in denen man vielleicht nicht so bequem lebte wie in einem Apartmenthaus. Alles wird abgerissen. Der „Verbotene Stadt“ bleibt bestehen. Kein Bagger dringt in dieses Refugium ein. Aber viele Touristen. Besonders chinesische Touristen. Die sind fast so lautstark wie Bagger. Um besser verstanden zu werden, nutzen die Führer Megaphone. Mao-Bilder überall. 70 Prozent waren gut, 30 % schlecht. Die Tatsachen belegen, dass er ein Massenmörder war. Shopping-Paradies. Wenn man nicht so richtig durchatmen kann, kann man zumindest Mundschutz, Sprays und Taschentücher kaufen. In Beijing kann man alles kaufen, was man sich vorstellen kann. In kleinen und in großen Läden. Es gab eine Zeit, in der Fahrräder fast verbannt waren, jetzt sind sie wieder da. Mit Fahrrädern kommt man schneller voran. Oder mit der U-Bahn. Das System ist einfach, die Züge immer voll. In den Seitenstraßen werden Touristenhorden in Rikschazügen herumgefahren. Man stellt sich ihnen besser nicht in den Weg. Bei schönem Wetter stehen auf der Straße Sofas, in die man sich werfen und einen Drink schlürfen kann. Und natürlich köstlichen Feinstaub genießt. Es ist gut, wenn man Beijing mit einem Schleier abdeckt, wenn man mit halb geschlossenen Augen durch die Stadt läuft. Etwas verschwommen wirkt die Stadt richtig idyllisch. Beijing ist in vielen Vierteln immer noch dörflich geprägt und auch provinziell. Nur groß ist die Stadt. Über 21 Millionen wohnen in dieser Stadt mit 100000 als Postleitzahl. Hauptstadt Chinas, aber auch Hauptstadt der Verschmutzung. In Beijing haben die Chinesen den Beweis erbracht, dass manche Umweltverbrechen nicht zurück zu drehen sind. Wer hätte das gedacht? Die meisten Krebskranken Chinas wohnen hier.

Shanghai, die Bunte

Shanghai, die Bunte

(2015 und älter) Shanghai ist der Wandel per se. Die Stadt verändert sich. Immer. Ständig. Die Stadt mutet ihren Bürgern viel zu. Ich möchte daher zwar nicht in dieser Stadt leben, aber immer wieder kommen, in immer kürzeren Abständen, um die Veränderung hautnah zu erleben. Aber auch um mich der Menschenmenge auszusetzen. Irgendwie sind die Millionen, die in Shanghai leben ständig auf den Straßen, zumindest im Zentrum. Auf jeden Fall auf dem Bund.

Ja, der Bund. Einst promenierten hier die Ausländer und Chinesen war es verboten, auf ihrem Bund spazieren zu gehen. Heute findet man everybody auf dem Bund, die Chinesen und die Touristen und die Ausländer und die Veränderung. Ich setze mich gerne hin, irgendwohin, auf eine Mauer und schaue hinüber zur Skyline von Pudong, überlege, welcher von diesen Bauten neu ist. Oder ich sehe den Menschen zu, die an meinem Aussichtsplateau vorbeigehen, sich schieben und drängen, unvermittelt stehen bleiben, um sich zu fotografieren. Chinesen lieben Selfies, wie sonst niemand, besonders Selfies von mir und dem Bund. Nachts taucht alles ein in Licht, natürlich Reklamelicht, das sich ebenfalls ständig verändert, sogar Bilder malt. Das ist typisch Shanghai. Das Auge kann nicht ruhen. Es wird aufgepeitscht durch immer neue, immer schrillere Leucht-Kombinationen. So geht es die ganze Nacht.

Shanghai ist modern und bunt. Häufig explodieren Feuerwerkskörper. Keine Panik. Da feiert nur jemand ein Fest. Es ist zwar verboten, aber wen stört es schon?

Lautsprecherdurchsagen in der ganzen Stadt: von Schrottsammlern, Eisverkäufern, manchmal auch von der Polizei. Auf jeden Fall ist die Stadt laut. In der Fußgängerzone findet man die besten Läden. Mit Markenartikeln. Mittlerweile sind es chinesisch Marken. Man ist auf den europäischen Geschmack gar nicht mehr angewiesen. Die kleinen, zierlichen Chinesen-Fräuleins kleiden sich apart. Und sie zeigen viel Bein. Die Bettler schleichen sich lautlos vorbei und hoffen auf eine leere Plastikflasche im Papierkorb.

Shanghai ist freundlich, Shanghai ist rücksichtslos, Shanghai ist die Handbewegung in eine vage Richtung, wenn man jemandem nach dem Weg fragt. Der Tourist ist eigentlich nur Beobachter. Er kann auch nicht mehr werden. Man sollte sich damit zufriedengeben. Kann er auch. Es gibt schließlich so viel zu sehen.

Shanghai ist Abendessenkochen auf der Straße. Es ist Drängeln in den Öffentlichen, blaue Flecken im Carrefour und Ansagen an den U-Bahnrolltreppen wie: „Achten Sie auf Ihre Sicherheit! Jetzt bitte nicht aufs Handy schauen!“ Doch kaum jemand richtet sich danach. Shanghai ist der beißende Rauch von Straßengrills.

In Shanghai ist vieles fußläufig zu erreichen. Und wenn nicht, kann man in die Metro einsteigen. Ein einfaches System. Das funktioniert. Vielleicht probiert man „das U-Bahn-System“ nicht gerade in der rush hour aus.

Noch immer findet man in Shanghai Männer mit Schlafanzug. Im Sommer rollen sie die Schlafanzugjacke nach oben und zeigen Bauch. Nun ja, nicht gerade ästhetisch. Und die Partei ist auch dagegen. Es wird nicht mehr so viel auf die Straße gespuckt, wie das früher einmal war. Die Partei hat für Ordnung gesorgt.

Nur die Autofahrer sind nicht glücklich in Shanghai. Sie sind eher zum Warten verdammt. Aber sie sind auch selbst schuld. Man muss ja nicht gerade mit dem Mercedes in die Innenstadt fahren.

Im Park bewegen sich die Alten rhythmisch, in einer Kneipe ertönt Jazzmusik. In Shanghai gibt es alles. Auch vieles, was man sich gar nicht wünscht.

Havanna, die schönste Stadt des Verfalls

Havanna, die schönste Stadt des Verfalls

(2016) „Havanna“ – schon das Wort ist ein Versprechen. In Havanna ist alles anders. Unwillkürlich hört man Son-Klänge, denkt an Oldtimer, die vor Kolonialbauten mit Che-Guevara-Konterfei haltmachen. Havanna ist aber ganz anders. Havanna besteht aus vielen Versprechen und vielen Geschichten. Letztendlich ist die Stadt aber ganz anders.

Man sollte an einem Samstagabend ankommen. Die nächtliche Fahrt vom Flughafen in die Stadt führt durch dunkle Viertel. Selbst die Beleuchtung in den Hauptstraßen ist spärlich. Auch in der Stadt ist es dunkel. Dafür ertönt aus allen Häusern Musik. Ist dort Party oder hören die Menschen nur im Kämmerchen für sich? Keine Ahnung, aber die Stadt badet am Samstagabend in Musik. Am besten man badet mit. Wir sitzen auf der Terrasse eines baufälligen Hauses, sehen auf andere baufällige Häuser in den Straßen und lauschen der Musik. Ein paar tanzende Gestalten in beleuchteten Fenstern.

Am nächsten Tag eröffnen sich uns viele Facetten der Küstenstadt: Liebespaare, die in Hinterhöfen Rumba tanzen; Kinder, die zwischen Trümmern Fußball spielen; Jugendliche, ohne Smartphone-Blick, weil sie ohnehin keinen Internet-Empfang haben. Kokette Frauen in dick, die voller Überzeugung Bauch tragen.

Plumpe Schönheit sieht man nirgends. Erst der Verfall macht schließlich den Charme der prachtvollen Kolonialbauten aus. Erst die Risse in den bröckelnden Fassaden verleihen Havanna den morbiden Charakter, der die Stadt gleichzeitig so erhaben wirken lässt. Schönheit ziert die Menschen. Jeder Kubaner ist irgendwie schön, glaubt zumindest schön zu sein, zeigt Figur, knapp bekleidet. Das sieht bei vielen Frauen auch äußerst apart aus, bei manchen eben nicht. Man kann aber viel Haut fotografieren und anstaunen. Sex liegt in der Luft. Früher einmal war Havanna das größte Bordell in der Welt.

Die Stadt ist eigentlich nicht bunt. Die Fassaden der Häuser eher grau, aber selbst dieses letale Grau ist anziehend, solange die Sonne scheint. Bei Regen breitet sich die Depression aus und es hilft nur noch die Rum-Flasche. Aber die Menschen sind bunt. Selbst ganz einfache, billige Kleidung ist bunt und zeigt Körperlichkeit. Und die Autos sind bunt, und immer sauber. Gewaschen, gewienert, uralt, mindestens dreißig Jahre alt und eben in bunten Farben. Das ist nicht die Kulisse für einen kitschigen Hollywood-Film, das ist Havanna selbst. Und höchstpersönlich.

Aber da sind auch seine Schattenseiten, die man als Besucher nur ganz rudimentär erlebt: Menschen, die mit Lebensmittelkarten stundenlang anstehen für ein paar Eier, Gemüse und Kartoffeln. Menschen, die resigniert dasitzen, und auf irgendetwas warten. Dann aber trotzdem wieder lächeln. Aus Hoffnung oder aus Verzweiflung. Und dann natürlich Bettler, für die Touristen die größte Hoffnung darstellen, zumindest wenn es sich um ein Stück Seife handelt.

Havanna hat einen erlebnisreichen Zentralfriedhof, der dem Besucher Eintritt kostet, der von vielen Marmor-Sarkophagen gezeichnet ist. Im Viertelstundentakt kommen die Trauergesellschaften an und ihnen kann man zusehen, wie sie sich in Schale geworfen haben, oder wie sie von der Küche, vom Feld, von der Straße weg direkt auf den Friedhof kamen. Hier zeigt sich die Stadt mit ihren Menschen wie sie ist.

Man sagt, alle Kubaner würden liebend gerne das Land verlassen, wenn sie es könnten. Ob das stimmt wissen wir nicht. Aber man wird schon traurig, wenn man durch verfallende Gassen spaziert. Aber der Staat auch manche Fassade renoviert. Und die Menschen lassen ein Licht leuchten und Musik ertönen und ziehen sich um, um an einer Ballett-Vorstellung teilzunehmen. Die Lebensfreude ist ungebrochen. So scheint es uns jedenfalls. Havanna ist die schönste Stadt des Verfalls, die ich kenne.