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Kreuz

 

Eine christliche Geschichte. Sie stammt aus dem Europa des 19. oder 20. Jahrhunderts.

Ein Mensch schleppt sein Kreuz mit sich herum. Er ist der Meinung, dass ihm dieses Kreuz von Gott zu Unrecht auferlegt wurde. Er glaubt, er habe es nicht verdient. Deshalb begibt sich der Mensch zu Gott. Dort steht er und schaut seinen Schöpfer an und spricht: „Herr, das Kreuz, das du mir gegeben hast ist viel zu schwer. Ich kann kaum noch mit dem Kreuz gehen. Jeden Tag schleppe ich es mit mir herum. Es drückt und schmerzt. Kann ich es nicht eintauschen gegen ein anderes?“

„Ja natürlich.“ Sagt Gott. Er deutet auf eine Tür. „Geh dort in den Raum und suche dir ein anderes Kreuz aus. Du musst aber wissen, dass das Kreuz, das du wählst auch behalten musst.“

Der Mann nickt zustimmend. Er geht hocherfreut in den Raum. Dort befinden sich jede Menge Kreuze in allen möglichen Größen, in unterschiedlichen Formen. Er stellt sein Kreuz in die Ecke und schaut sich aufmerksam um. Da erblickt er ein recht kleines Kreuz. Er denkt, das sieht gut aus, klein und handlich. Das tausche ich ein. Er legt das neue Kreuz über seine Schulter, dankt Gott und geht ganz beschwingt davon.

Nach einiger Zeit kehrt er allerdings zurück und klagt Gott erneut sein Leid: „Herr, das neue Kreuz, das ich mir vor ein paar Wochen aussuchte ist zwar klein und handlich, aber es ist unendlich schwer. Bei jedem Schritt scheint es an Gewicht zuzunehmen. Und außerdem hat es scharfe Kanten, die mir ins Fleisch schneiden. Ist es wohl möglich, dieses Kreuz wieder einzutauschen?

Gott ist nicht so erbaut von diesem Vorschlag. Er sagt dem Menschen, dass es kein Tauschgeschäft mit Kreuzen gibt. Aber dann erbarmt er sich doch und erlaubt dem Menschen, sein Kreuz noch einmal zu tauschen. Der Mensch ist erfreut, sieht sich wieder in dem Kreuzraum um, legt das alte Kreuz ab, wo er es einst gefunden hatte. Er erblickt ein anderes. Zwar ist es recht lang, aber es besteht aus runden Hölzern, ist anscheinend leichter zu tragen. Als er das Kreuz in die Höhe hebt, stellt er fest, dass es sogar recht leicht ist. Er bittet Gott um dieses Kreuz. Schließlich verlässt er dankend und vergnügt mit seinem neuen Kreuz den Himmel.

Doch nur nach wenigen Wochen sucht er schon wieder Gott auf. Dieser sieht ihn nun missmutig an. Der Mensch ist zaghaft. Er fällt auf seine Knie und sagt: „Herr, ich weiß, ich strapazierte deine Geduld. Ich sollte eigentlich nicht hier sein. Ich bin undankbar. Dieses Kreuz, das ich nun trage, ist zwar durchaus leicht, es schneidet mir auch nicht mehr in meine Schultern. Doch es ist lang. Überall ecke ich an, ich kann mich kaum damit bewegen. Ich muss ständig achtgeben, wenn ich durch die Straßen laufe. Außerdem ist es rund. Deshalb rutscht es mir dauernd vom Rücken und ich musste es mit den Händen sehr festhalten. Ich sehe ein Herr, es war keine gute Idee, mein Kreuz tauschen zu wollen. Ich hätte eine letzte Bitte: Kann ich mein altes Kreuz wiederhaben, das du mir zugewiesen hast?“

Gott lächelte und nickte.