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Ostersonntag

Es ist noch finster.

Die Sonne ist nicht aufgegangen.

Maria Magdalena konnte in dieser Nacht nicht schlafen.

Herumwälzen.

Schweiß auf der Stirne.

Es ist selbst in der Nacht heiß.

So stand sie auf.

Zähneputzen.

Das Gesicht waschen.

In die Kleider schlüpfen.

Sie verlässt das Haus.

Niemand hört sie.

Ganz leise.

Auf Socken.

Leicht schimmert die aufgehende Sonne hervor.

Maria Magdalena steht vor dem Grab.

Erschrickt.

Einer von den Wachen schläft.

Der andere ist weg.

Vielleicht in Malle.

Geflohen.

Sie steht vor dem Grab und erkennt, dass der Stein zur Seite geschoben wurde.

Der Stein ist schwer.

Ein Mann allein kann ihn nicht bewegen.

Wer hat sich am Grab vergriffen?

Es leuchtet.

Noch ist es dunkel.

Dennoch leuchtet es leicht.

Wo?

Im Grab leuchtet es.

Maria Magdalena blieb vorsichtig.

Draußen vor dem Grab.

Stehen.

Mit Herzklopfen.

Weinend.

Dann beugte sie sich doch nach vorne.

Sie erkennt etwas. Schemenhaft.

Zwei Gestalten in weißen Gewändern.

Sie sitzen, einer am Haupt, einer zu den Füßen,

Dort, wo der Leichnam Jesu gelegen hatte.

Maria erkennt, dass es Engel sein müssen.

Das denkt sie.

Es sind die ersten Engel, denen sie begegnet ist.

Gibt es Engel?

Sie hatte sich darüber noch keine Gedanken gemacht.

Jetzt muss sie die Frage beantworten.

Ja.

Selbstverständlich.

Es gibt Engel.

Sie sprechen sogar mit ihr.

„Frau, warum weinst du?“

Das sollten Engel eigentlich wissen.

„Sie haben meinen Herrn weggenommen.“

Der Engel gibt keine Antwort.

“Ich weiß nicht, wo sie ihn hingelegt haben.“

Der Engel gibt keine Antwort.

Maria bemerkt eine Bewegung hinter sich.

So dreht sie sich um.

Da steht noch ein Engel.

Er stellt die gleiche Frage.

„Frau, warum weinst du? Wen suchst du?“

Nein, das ist kein Engel.

Nicht so leuchtend.

Eher normal.

Der Gärtner vielleicht.

Weiß er mehr?

„Herr, hast du ihn weggetragen?“

Ein Verdacht.

Er nickt.

„Sag mir bitte, wohin. Ich will ihn holen.“

Er spricht.

Nur ein Wort.

„Maria.“

Erschrecken.

Erkenntnis.

Wiedererkennen.

„Du bist es!“

Sie will auf ihn losstürzen.

Das ist verständlich.

Er hält sie zurück.

„Rühr mich nicht an.“

Sie ist enttäuscht.

Aber versteht.

Versteht nicht.

„Ich bin noch nicht auferstanden.“

Er sagt das ganz sachlich.

Wie: Ich habe noch nicht gefrühstückt.

Wie: Ich habe gerade den Rasen gemäht.

Wie: Es wird heute wieder nicht regnen.

Normale Lebenswelt.

Sie weiß nicht, was sie sagen soll.

Sie weiß nur, dass sie Größeres erlebt hat, als sie je verstehen kann.

Nicht fragen, wie alles geschehen ist.

Der Stein. Das Aufstehen, das Warten auf die Auferstehung.

Wunder.

Natürlich, wenn dies kein Wunder ist.

Schließlich sagt er.

Befiehlt er.

Bittet er.

„Maria gehe zu den Brüdern und Schwestern. Erzähle, was Du erlebt hast.

Ich werde bald auferstehen, zu meinem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott.“

Maria nickt und steht stumm da.

Es dauert bis sie die Worte versteht.

Sie klingen gut.

Sie kann sich die Auferstehung nicht vorstellen. Aber sie hat den ersten Satz verstanden.

Gehe.

Und schon läuft sie los. Den kleinen Weg entlang, der in die Stadt führt.

Durch die Gassen, in die jetzt schon Sonnenlicht fällt.

Sie läuft so schnell sie kann.

Die Beine bewegen sich rhythmisch.

Sie kommt außer Atem.

Sie muss kurz anhalten, um durchzuatmen.

Dann geht es weiter.

Er lebt.

Irgendwie.

Was soll sie sagen?

Sie trifft die Jünger im Gemeindehaus an.

Sie schreit.

„Ich habe den Herrn gesehen.“

Die Jünger wollen es nicht glauben.

Können es nicht glauben.

Fragen stürzen auf Maria ein.

Fragt, so viel ihr wollt.

Ich kann euch nichts antworten.

Aber ich habe ihn gesehen. Der Stein vor dem Grab liegt auf der Seite.

Starke Mächte haben ihn verrückt.

Und Engel habe ich gesehen.

Vor allen Dingen aber den Herrn.

Nun sputen sich auch Petrus und ein anderer Jünger.

Sie hetzen zum Grab.

Es laufen miteinander.

Der andere Jünger läuft voraus, schneller als Petrus.

Daher kommt er als Erster zum Grab,

schaut hinein,

sieht die Leinentücher liegen.

Er geht aber nicht hinein in das Grab.

Aber Simon Petrus.

Er betritt das Grab.

Er erkennt die Leinentücher ebenfalls.

Und das Schweißtuch.

Das Schweißtuch bedeckte Jesu Haupt.

Es liegt nicht bei den Leinentüchern, sondern daneben,

Sauber zusammengelegt.

Sie verstehen die Zeichen nicht.

Sie wissen nur, der Leichnam ist weg.

Eine Tatsache.

Maria hat ihn gesehen.

Stimmt das?

Wo ist er jetzt?

Sehen sich an.

Fragen sich.

Haben keine Antworten.

So gehen sie zurück, zu den anderen.

Berichten.

Hoffnung.

Hoffnung ist Warten.