Wien ist anders schön.
(2000) Wenn man nach Wien fährt, so wird man schon zehn Kilometer vor der Stadtgrenze mit Plakaten konfrontiert mit der Aufschrift „Wien ist anders“. Das ist keine Phrase. Wien ist tatsächlich anders. Und natürlich schön. Und voller Geschichte. Allein die prächtige Ringstraße, welche die Innenstadt umkreist, reiht ein mondänes Bauwerk nach dem anderen auf: Burgtheater, Staatsoper, Votivkirche, Hofburg, Natur- und Kunsthistorisches Museum. Alles gut erhalten. Alles monarchisch. Alles immer noch voller Habsburger.
Und den Beweis erbringt ein Ranking von 215 Großstädten (durch die Beratungsgesellschaft Mercer), in dem Wien zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt wird. Wien ist grundsätzlich eine der angenehmsten Städte der Welt. Schön, nicht zu groß, und man hat das Gefühl, dass man alles hat, was man braucht. Die Stadt ist unaufgeregt. Nicht so cool wie Berlin. Niemand behauptet, dass sie sexy sei. Sie ist auch nicht wie Hamburg, so pfeffersackmäßig. Sie ruht einfach in sich selbst.
Man kriegt gute Schnitzel, gute Mehlspeisen und gute Weine. Bisher alles ganz toll.
Man ist halt nur nicht extrem willkommen. Die Wiener können schon ziemlich grantig sein. Der richtige Wiener kritisiert gerne und neigt zu grundlosem Pessimismus. Der Wiener Schmäh ist ziemlich morbid. Dennoch haben die meisten Wiener keine Selbsttötungsabsichten. Ja, Wien ist anders. Die Wiener sind es auch. Sie schaffen es oft, die schönste Stadt der Welt sozial erkalten zu lassen. Aber darüber darf nur ein Wiener richten. Der Wiener Chansonnier Georg Kreisler brachte es so auf den Punkt: „Wie schön wäre Wien ohne Wiener!“
Es gibt keine urbanen Ghettos in Wien, die historische Bausubstanz ist prachtvoll, die Brunnen plätschern munter, und die Altstadtgassen sind verträumt. Die Geschichte und die Fassaden der Stadt mögen alt sein, das heutige Wien aber ist eine moderne, eine lebendige und pulsierende Stadt. Und Wien ist in jedem Fall ein Highlight für Individualisten. Das Besondere lauert überall. Die berühmte Wiener Kaffeehauskultur zum Beispiel.
Der öffentliche Nahverkehr ist mustergültig, die Müllabfuhr ein Vorzeigebetrieb, die Fiakergäule sind straßenrein, weil sie Spezialwindeln tragen müssen, und sogar das leidige Hundekotproblem kriegt die Stadtverwaltung langsam in den Griff.
Wer nicht weiß, wie er mit Wien zurechtkommen soll, dem sei das Lied von Reinhard Fendrich empfohlen:
„Achten Sie nicht auf das Riesenrad. So etwas lenkt Sie nur ab.
Fragen Sie nicht nach dem Stephansdom. Wann und warum er gebaut.
Suchen sie nicht nach dem Donaustrom. Den hat man sicher verstaut.“
Sich einfach treiben lassen: Wien ist Groß und Klein. Wien ist kaiserlich und königlich und basic und jung. Wien ist teuer und günstig. Wien ist Kultur und Zeitgeschehen. Wien ist wundervoll.