Ein neuer Ratgeber: Fahrplan zum Lebensende

Ein neuer Ratgeber: Fahrplan zum Lebensende

Werner Schwanfelder – Ratgeber: Fahrplan zum Lebensende

 

Genre: Ratgeber

 Setting: Aufbau/Gliederung: eingereichte Gliederung sehr umfangreich und daher unübersichtlich und überfordernd; kursive Kapitel sind die gewichtigen – alle anderen nur als Zwischenüberschriften im Fließtext belassen, aber nicht mit in die Gliederung aufnehmen

 Erzählperspektive: Ich-Perspektive, mutet teils an Gedankenstrom an, wenn der Autor seinen persönlichen Überlegungen zum Lebensende einfach freien Lauf lässt (hat seinen eigenen Charme, verliert aber durch Gedankensprünge manchmal an inhaltlicher Stringenz); die faktischen Ausführungen sind klar und präzise, anleitend

 Inhalt:

 Warum? Ein letzter Ratgeber

Schwanfelder begründet den „Fahrplan zum Lebensende“ aus einer Art therapeutischem Selbstbedürfnis heraus, sich so selbst systematisch auf den Tod vorzubereiten. In diesem Zusammenhang wird bereits in der Einleitung (und später immer wieder) darauf hingewiesen, dass sich der Ratgeber nicht anmaßt, eine allgemeingültige Schritt-für-Schritt-Anleitung für eine so individuelle Erfahrung wie das Lebensende zu sein. Vielmehr sei es ein „Rat-Begleiter“, der als Vorbereitungshilfe auf den Tod genutzt werden könne.

 Das Altern und die Realität des Todes

Der Tod wird eingeführt als wichtiger und vielmehr dankbarer Teil des Lebens, der ebenso selbstverständlich ist, wie die Geburt – aber dem entgegen gesellschaftlich unverhältnismäßig geschmäht. Damit will der Autor argumentativ aufräumen. Schwanfelder führt zu diesem Zweck auch Vergleiche aus dem Tierreich an, um den natürlichen Gang der Dinge wieder in Erinnerung zu rufen. Außerdem nähert er sich dem Tod intuitiv (über subjektive Gedanken, eigenes Vorbereiten auf seinen eigenen Lebensabend) wie auch faktisch (Aufzählung Festtage des Todes, Auswirkung des demographischen Wandels/ Def. Familie auf das Sterben außerhalb des engsten Familienkreises), was das Thema aus verschiedenen Perspektiven komplementär beleuchtet.

 Was ist zu tun? Die Vorbereitung (eher: Bestandsaufnahme vom Leben) Rückblick aufs Leben, erprobte Jahresbilanzen des eigenen Lebens und die große Sinnfrage. Die „Nachdenkliste“ zur Vorbereitung auf den Tod lässt Inhalt in schnell erfassbarer Stichpunktform erwarten. Stattdessen handelt es sich hier aber um einen Fließtext, dem lediglich Stichpunkte vorangestellt wurden?? – entweder runterbrechen auf knackige Aussagen oder wie gehabt einfach Fließtext belassen. Teils wird auch nicht klar, was der Autor aussagen will, seine verschriftlichen Überlegungen laufen ins Leere. Es scheint sich hier um eine Zusammenstellung zielloser Gedankenschnipsel zu handeln, die inhaltlich häufig nicht ineinander überleiten und den Lesenden daher verwirrt zurücklassen. Die Kapitelüberschrift doppelt sich zudem mit dem folgenden Kapitel „Vorbereitung auf den Tod“, hier sollten zur besseren Unterscheidung die Überschriften inhaltlich noch spezifiziert werden.

Schwanfelder gibt hier zudem einen Leitfaden zur Erstellung einer „Lebensbilanz“ mit einer Vielzahl von konkreten Fragen – wiederrum einer der interaktiven Anteile des Buches, denn die Fragen sollen die Lesenden durchaus auch für sich beantworten. Es folgt eine Anleitung zur Bestandsaufnahme des eigenen Lebens mit konkreten Impulsen, um das Leben einmal von Grund auf aufzuräumen – gedanklich und praktisch. Insgesamt gibt besonders dieses Kapitel so viele neue Anreize zum Pläne schmieden und Leben umkrempeln, dass „zum Sterben keine Zeit mehr bleibt.“ Es macht einfach Lust auf Leben!

 Vorbereitung auf den Tod

Der „Vorsorgeordner“ mit äußerst umfangreicher und konkreter Checkliste, Einführung zur Vorsorgevollmacht, Dokumente zum Todesfall, Erbschaft und Erbvertrag oder Testament – kurzum: eine beeindruckende, vollumfängliche Informationssammlung zum bürokratischen Sterben in Deutschland. Wer nach diesem Konvolut an bürokratischen Ratschlägen erst einmal geplättet ist, den muntert Schwanfelder meisterhaft mit zwei flotten Witzen zur Erbschaft wieder auf.

 Die Bestattung

Beschreibt schlicht und nüchtern, was zwischen Tod und Bestattung geschieht, wie eine Trauerfeier abläuft, welche Bestattungsformen es gibt usw.: räumt so mit Unwissen auf und gibt Gewissheit über den Ablauf. Das kann sicher vielen Lesenden ein Trost sein, da es die Angst vor dem Ungewissen (in diesem Fall: dem Tod) nimmt. Mit der angefügten Checkliste wird Möglichkeit gegeben, die eigene Bestattung nach persönlichen Wünschen vorauszuplanen und so außerdem den Hinterbliebenen einige Arbeit abzunehmen (dieser Punkt bedient sicher eine große Nachfrage, da viele ältere Menschen sich sorgen, ihren Liebsten zur Last zu fallen – im Leben und darüber hinaus auch noch im Tod).

Unter „Besondere Bestattungsformen“ geht der Autor übersichtlich auf einige besondere kulturelle, religiöse und regionale Bestattungsformen weltweit ein – ein schöner Abschluss für dieses Überkapitel, da es (wie in einem anderen Kapitel die eingestreuten Witze) die Stimmung wieder hebt.

 Die Bestattungsverfügung

Wieder mit Checkliste, außerdem Hinweis auf die Möglichkeit einer Organspende sowie die wichtigsten Infos und eine Checkliste dazu.

 Patientenverfügung

Beleuchtet den Hintergrund und Sinn einer Patientenverfügung und enthält wieder die obligatorische Checkliste sowie alle Besonderheiten, an die gedacht werden muss. Außerdem konkrete Vorlagen einer Patientenverfügung, die gegebenenfalls 1 zu 1 (entsprechend nach persönlichen Krankheiten personalisiert natürlich) übernommen werden können. Die beispielhafte Patientenverfügung ist zudem bereits kursiv gesetzt und lässt sich somit hervorragend vom restlichen Fließtext unterscheiden.

 Was bleibt von uns übrig?

Zur Abwechslung wieder ein paar lebensphilosophisch-metaphysische Überlegungen, sehr erfrischend und eine perfekte Ergänzung zu den vorangegangenen Ausführungen. Anrührend poetisch geschrieben und tolle Adaption der bereits in den anderen Kapiteln gängigen Checkliste: „Checkliste: Erinnerungen“ – diese soll helfen, den „inneren“ Nachlass zu regeln. Außerdem Überlegungen zum eigenen Vermächtnis, Checkliste zur Regelung des „digitalen Nachlass[es]“ und praktische Überlegungen zu persönlichen Dokumenten wie Tagebüchern etc., Stammbaum-Anleitung sowie Gedanken und Checkliste zum Entrümpeln materieller Habseligkeiten.

Abschließend nimmt Schwanfelder auch ausgefallene Methoden wie die Konservierung lebender Körper in den Blick, gibt einen Überblick über mögliche Optionen und geht auf die Kyrokonservierung etwas näher ein.

 Über das Sterben

Beschreibt, woran man erkennt, dass sich der Körper auf das Ende vorbereitet und wann es Zeit ist, zu gehen. Am Rande einige Fakten zur historischen Sterbeentwicklung, Sterbebegleitung, Palliativmedizin und Hospizarbeit sowie das Recht auf selbstbestimmtes Sterben.

Schwanfelder hält in diesem Kapitel mit seinen eigenen Überlegungen vom Lebensende nicht hinterm Berg und spricht ganz offen darüber, dass er sich im Falle einer notwendigen Pflegebetreuung für sich selbst einen selbstbestimmten Tod wünscht. Etwas schwierig, da hier im interaktiven Teil explizit nach Suizidgedanken gefragt wird – evtl. noch einmal problematisieren, dass es hier ein wohlüberlegtes Auseinandersetzen mit einem selbstbestimmten Ende gefragt ist und es sich nicht um eine Aufforderung zum aktiven Suizid handelt. Der Autor weist zwar wiederholt darauf hin, dass bei Suizidgedanken unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch genommen werden sollte, aber es bleibt ein sehr problematisches Kapitel, da es zum Ende hin geradezu in eine Suizid-Anleitung ausartet!!

(Suizid durch Medikamentenintoxikation, „Wie kann man konkret vorgehen?“, Suizid

durch Inertgase)

 Was kommt nach dem Sterben?

Schwanfelder führt hier seine Überlegungen zu Nahtoderfahrungen an, außerdem wird umfangreich auf die differenzierten Vorstellungen vom Jenseits in unterschiedlichen Religionen und antiken Kulturen eingegangen. Zwischendrin drei rührende Geschichten zu Wiedergeburt, Lebenszyklus und dem Existenzbewusstsein. Ein sehr interessantes, schönes Kapitel.

 Nach dem Tod kommt das Begräbnis

Gibt Hilfestellungen für die Hinterbliebenen mit Informationen, Ratschlägen und Hinweisen zur Beerdigung, Todesanzeige, Trauerfeier, Nachruf, Trauerrede, Leichenschmaus. Allen Punkten beigefügt sind wieder Checklisten. Zu Todesanzeige und Trauerrede stellt der Autor sogar vorgefertigte, generische Texte zur Übernahme bereit, die ohne Weiteres übernommen werden können. Zum Abschluss porträtiert Schwanfelder noch länderspezifische Trauerbräuche rund um den Globus.

 Das Weiterleben nach dem Tod

Dieses Kapitel räumt den Hinterbliebenen sehr einfühlsam das Recht auf Trauer ein und mutet fast an Therapie an. Sehr empathisch und hilfreich bei er Trauerbewältigung: es macht Mut, spendet Kraft und eröffnet einen hoffnungsvollen Blick in die Zukunft. Der Autor bleibt sich treu und entsprechend ist auch zur Trauerbewältigung eine Checkliste beigefügt.

Das Buch schließt mit einer Geschichte, die auf das Glück im Hier und Jetzt verweist. Sie lehrt, im Augenblick zu leben und sich nicht in Gedanken über Zukunft oder Vergangenheit zu verlieren. Ein toller Abschluss à la „carpe diem – memento mori“.

 Sprache und Stil: meist kurze, knackige Sätze; trocken, präzise und klar aber trotzdem einfühlsam; teils selbstironisch und elegant humorvoll, teils poetisch und lebensphilosophisch

 Fazit: Das gesellschaftlich schwere Thema Tod wird umfangreich aufbereitet und durch literarische Lebensweisheiten aufgelockert: Zitate (gut gewählt und inhaltlich top eingefügt!), Witze, Bibelzitate, Geschichten sind überall im Buch eingestreut und ergänzen die Fachrecherche zu Tod und Sterben hervorragend. Faktisch wird auf unzählige Eventualitäten (zum Thema Tod) eingegangen und die Auskünfte sind dabei so kleinteilig ausgeführt, dass kaum noch eine Frage offenbleiben kann.

Mit erfrischender Selbstironie wird dem Lesenden die Angst vor dem Ende genommen, ohne dabei pathetisch irgendetwas zu beschönigen. Der Ratgeber bietet Trost und Beruhigung; unterschwellige Botschaft, die häufig durchscheint: dem Tod mild und gemessen entgegenzublicken und ihn anzunehmen.

Schwanfelder gibt Anleitung zur Vorbereitung auf den letzten Lebensabschnitt mit diversen Checklisten und bezieht den Lesenden interaktiv mit ein, indem er in diesem personalisierbaren „Arbeitsbuch“ Platz für Annotationen, eigene Gedenken und Ideen bietet.

Es ist offensichtlich, dass Schwanfelder nicht zum ersten Mal einen Ratgeber schreibt, die Checklisten und Hintergrundinformationen sind äußerst umfangreich recherchiert und fundiert, die Aufforderungen zum interaktiven Mitwirken sind sinnvoll, präzise und im richtigen Maße auffordernd, ohne dabei aufdringlich zu sein.

Orthografisch und grammatikalisch ist auf den ersten Blick alles i. O., der Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und hat einen individuellen Charme. Insgesamt toll recherchiert und geschrieben, äußerst abwechslungs- und lehrreich; der Ratgeber regt zum Nachdenken an und bringt erstaunlich viel Leichtigkeit in dieses Thema, um das wir doch sonst eher einen Bogen machen.



Ein Hauch vom Heiligen Geist

Ein Hauch vom Heiligen Geist

Es ist eine Zeit vor Pfingsten. Seit Susannes Tod ist mir die Freude abhandengekommen. Sogar am Schreiben. Ich habe Zeitung gelesen. Kein Grund zu einer Freude. Und doch, ich fühle mich herausgefordert. Was ist aus unserer Gesellschaft geworden? Überall auf der Welt. Was ist aus uns Menschen geworden?

Bald werden sie wieder einwandern: Die Parther, Meder und Elamíter, die Bewohner von Mesopotámien, Judäa und Kappadókien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrýgien und Pamphýlien, von Ägypten und dem Gebiet Líbyens nach Kyréne hin, auch die Römer, die Juden und Proselýten, die Kreter und Áraber. So war das damals zu biblischen Zeiten. Heute wäre vom Irak und von Iran, Syrien und der Türkei die Rede. Die biblische Pfingstgeschichte spielt im Melting Pot Jerusalem. Es ist dort ein buntes Völkergemisch mit Menschen aus aller Herren Länder unterwegs.

Das Besondere ist: Es kommt zu einer großen, wundersamen Verständigung unter ihnen. Pfingsten ist das christliche Fest, das daran erinnert. Ich merke mir: Plötzlich haben sich die Menschen verstanden, nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich. Und sie haben sich zugehört.

Dabei war diese Entwicklung wirklich nicht abzusehen: Die Apostel haben sich nach dem Tod des Jesus von Nazareth verängstigt, verwirrt und kleinlaut hinter verschlossene Türen zurückgezogen, während draußen auf den Straßen ein „Menschenauflauf“ stattfindet. Da fährt ein neuer Geist in sie, und sie begreifen, dass Abschottung, Verkriechen und Selbstabschließung nicht der geeignete Weg ist. Sie überwinden ihre Angst, sie mischen sich unter die Völker, sie reden davon, dass Jesus nicht tot, sondern lebendig sei. Und sieh da: Es geschieht ein Kommunikationswunder; jeder Zuhörer kann sie in seiner Muttersprache verstehen. Die Bibel nennt dies das Wunder des Heiligen Geistes.

Ich sehne mich nach einem solchen Wunder. Ich habe heute in der Zeitung von Russland und Ukraine gelesen, von Slowenien, von Ungarn, von Schweden und auch von Deutschland. Es sind Geschichten des Nichtverstehens. Daraus entsteht ein Klima der Provokation, der Angst, der Beschädigung.

Der Geist des Jahres 2024 ist kein Geist der Offenheit, er überwindet keine Barrieren, im Gegenteil: Er grenzt aus, er trennt, er verachtet, er verleugnet und verleumdet.

Wie die Jünger haben wir Angst. Deshalb schotten wir uns ab. Wir sprechen von „Festung Europa“. Darunter verstehen wir, dass unser Kontinent die Zugbrücken hochziehen kann und alles wird gut. Die Flüchtlinge sollen nach Staaten wie Ruanda transportiert werden, die viel Geld dafür bekommen, dass sie eine Asylprüfung vornehmen und dann die Flüchtlinge bei sich aufnehmen oder nach irgendwohin weiterschicken. Großbritannien hat dieses Modell entwickelt und so das winzige Ruanda zu einem big player in der Flüchtlingspolitik gemacht.

Es wird nicht funktionieren. Außerdem wirkt diese Abschottungspolitik -sicherlich ungewollt – nach innen in die Gesellschaft hinein. Die suggeriert den Menschen: Ihr seid in Frieden und Sicherheit. Aber es kostet Kraft und Strenge und Härte. Kein Mitleid erwünscht. Mauern, Zäune und Grenzkontrollen sollen eigentlich Ängste sedieren, aber in der Realität wecken sie diese umso mehr. Uns werden auch unsere Widersprüche klar vor Augen gehalten: Unsere Mobilität innerhalb der EU und auch die Mobilität ihrer Bürger nach draußen in die weite Welt soll grenzenlos sein. Auch die Finanz- und Warenströme sollen freizügig funktionieren. Nur nicht die Migrantenströme. Das wird nicht funktionieren. Im Gegenteil, wir untergraben die Freiheit, die wir eigentlich schützen wollen.

Nun stelle ich mir die Frage: Könnte ich dieses Problem lösen? Die einen aufnehmen und integrieren, die Anderen abhalten? Habe ich die richtigen Ideen? Ich weiß es nicht. Aber ich wünsche mir, dass der Heilige Pfingst-Geist uns erfasst, unsere Angst vertreibt, uns verstehen lässt. Vielleicht finden wir dann Lösungen. Ich wünsche mir einen Hauch von Heiligem Geist in den nächsten Pfingsttagen.


Psalmenlesungen

Psalmenlesungen

Ich habe die Psalmen-Lesungen wieder aufgenommen. Sie erscheinen in den social media Kanälen Facebook, Linkedin, X, Pinterest, Tumbir.

Fünf Weise reisen zu Gott

Fünf Weise reisen zu Gott

Die Geschichte der Heiligen Drei Könige ist bekannt. Aber vielleicht hat sich alles ganz anders zugetragen. Es war ein König, irgendwo auf der Welt. Er hatte die Vision, dass ein Gott geboren wird.

Er schickt die fünf weisesten Weisen seines Landes los, um den König zu suchen und zu finden.

Ein Stern leitet sie.

Es wird eine lange Reise. Unterwegs erkennen die Weisen, dass jeder eine andere Vorstellung von Gott hat. Jeder sucht eigentlich einen anderen Gott. Kein Wunder, dass auch jeder seinen Gott findet, aber an einem anderen Ort.

Am Ende erkennen sie, dass es der gleiche Gott ist, war und sein wird. Es gibt nur einen Gott.

 

Ein Geschenkbüchlein zum Lesen und Vorlesen. In einer neuen Sprachform.

 

Psalmen zum Jubeln, Freuen und Danken

Psalmen zum Jubeln, Freuen und Danken

Psalmen zum Jubeln, Freuen, Danken

Die Form eines Psalms kann ein Gedicht oder ein Essay sein. In ihm spiegelt sich unser Leben. Mit einem Gedicht können wir über unser Leben reflektieren.

Nun sind Psalmen auch Gebete. Sie sind damit sehr authentisch. Die alten Psalmen der Bibel sind „ungeschminkte Meinungen“ von Menschen der damaligen Zeit, von den Autoren. Wir müssen nicht mit allen übereinstimmen, wir können uns aber darüber freuen und nachdenken. In diesem Sinne kann man auch selbst Psalmen verfassen, sozusagen das eigenen Befinden kundtun.

Gebete und damit auch die Psalmen wenden sich an jemanden: an Gott. Glaube ich an Gott? Ja, ich glaube an Gott und zweifle an ihm. Ich bin ihm nahe, aber auch sehr fern. Ich habe aber bemerkt, dass ich selbst in Zweifelzeiten Gebete formuliere, vielleicht nur Stoßgebete. Aber sie sind immer an jemanden gerichtet. Ich bete also tatsächlich zu Gott – Zweifel hin, Zweifel her. Ich hoffe also inständig, dass es Gott gibt. Es tut mir gut. So habe ich mich entschieden, nicht nur die Psalmen der Bibel zu lesen, sondern auch selbst Psalmen zu schreiben.

Die Psalmen sind nicht immer erbaulich. Manchmal bescheren sie dem Leser auch schlechte oder traurige Gedanken. Deshalb habe ich in diesem Buch die „Guten“ Psalmen zusammengetragen: Sie sollen den Leser in eine optimistische Welt führen.

Der Weg von Karfreitag nach Ostern

Der Weg von Karfreitag nach Ostern

Er lag in einem kahlen Raum.
Die Farbe, ein stumpfes Gelb blätterte von der Wand ab,
machte weißen Flecken Platz.
Ein Nagel, an dem ein kleines Kreuz hing,
aus Holz,
sah billig aus.
Es spendete keinen Trost.
Wie kann ein Stück Holz schon Trost spenden?
Zwei Patienten lagen neben ihm in diesem Raum,
alle drei waren sie vom Tod gezeichnet.
Sie sprachen nicht mehr.
Es gab auch nichts mehr zu sagen.
Sie plagte die gleiche Krankheit, unheilbar.
Sie waren an ihr Bett gefesselt.
Er trug die Sünden der Menschheit.
Chronisten werden einmal behaupten, dass er nur Gutes getan habe.
Die anderen beiden nicht. Und doch glichen sich ihre Schicksale.
Ein leises Stöhnen löste sich aus seinem vertrockneten Mund.
Eine Schwester reichte ihm zu Trinken,
doch sie verschüttete das meiste.
Seine Lippen bewegten sich langsam und formten letzte Worte, die keiner verstand.
Der Geist verließ den Körper und das Herz setzte aus.
In dem Zimmer herrschte leise Betriebsamkeit.
Das Bett wurde herausgerollt.
Der Platz an der Wand blieb frei.
Die Farbe der Wand verlor noch etwas mehr von ihrem Glanz.
Aber das könnte auch nur Einbildung sein.
Ein schmutziger Lappen lag in einer Ecke,
vielleicht vergessen vom Putzdienst, der ab und zu das Zimmer säuberte.
Niemand achtete auf das Wetter.
Auf dem Klinkflur strahlten Neonröhren.

Der leblose Körper wurde gebadet, gereinigt, gesalbt, angezogen.
Das Haar wurde gekämmt und die Mundwinkel gerichtet.
Bleich liegt der Mensch im Sarg und wirkt gleichzeitig friedlich.
Wächsern, aber sorgenfrei. In diesem Zustand gibt es keine Wünsche mehr.
Es gibt nichts, was man für den Toten tun könnte,
es sei denn, man hat es zu Lebzeiten getan.
Höchstens noch Gedenken.
An ihn denken.
Ihn sich vorstellen,
aber das gelingt nicht so richtig.
Der Tod hat den Menschen deformiert, ihn seiner Seele beraubt.
Auch feierliches Orgelspiel tröstet nicht.
Der Tote hört es nicht mehr,
die Trauernden nehmen es nicht wahr.
Nur noch Gedanken beschäftigen sich mit dem Verstorbenen,
sie erreichen ihn nicht.
Tiefe Wolken stehen am Himmel und verschatten das Grab.
Sauber ist es geschaufelt,
ein rechteckiges Loch im Gewand der Mutter Erde.
Es wirkt wie eine Wunde.
Aber es ist nur vorübergehend.
Bald werden Pflanzen wieder die Wunde der Erde überdecken,
wie ein natürliches Pflaster die Vergangenheit ausmerzen.
Der Sarg wird in die Erdwunde gesenkt.
Und Sand und Lehm über ihn angehäuft.
Die eine oder andere Blume folgt in die Tiefe der Erde.
Das sind Grüße, die allerdings nichts mehr bewirken können.
So sterben schließlich auch die Blumen ab und schmücken den Sarg,
ehe noch mehr Erde alles verdeckt und erstickt.
Die Wolken öffnen sich etwas,
ein leichter Nieselregel legt sich über das Land.
Das ist zu dieser Zeit nichts Außergewöhnliches.
Dann liegt das Grab verlassen und die Nacht senkt sich über die Erdwunde.
Der Nieselregen löscht alle Spuren aus.
Wie ein Schwamm die Schrift auf der Tafel auswischt.
Wie ein Rechen, der die Spuren im Sand unkenntlich macht.
Wie ein Wasser aus einem Schlauch, der eine Straße vom Unrat befreit.

Gemeinhin ist man der Meinung,
dass mit dem Versenken des Sarges ein Ende eingetreten ist.
Für die einen ist das Ende umfassend.
Andere glauben, dass jedes Ende auch einen Anfang beinhaltet.
Aber vielleicht muss man ein gewisses Ende akzeptieren,
den Tatsachen ins forschende Auge schauen.
Der Mensch existiert nicht mehr.
Neben dem Geburtsdatum steht das Sterbedatum,
neben dem Anfang steht das Ende.
Neben der Geburt steht der Tod.
Dies soll ein Anfang sein?
Es ist nicht leicht zu glauben.
Und zu Lebzeiten ist es nicht erlebbar.

So geht ein Mensch gebückt und traurig auf dem Weg,
der zum Grab führt.
Der Grabschmuck ist vom Regen durchweicht,
schmutzig geworden.
Die Hände des Menschen beginnen das Grab etwas zu säubern.
Sie legen dorthin Blumen, die mitgebracht sind.
Die Erde bebt unter dem Druck der Blumen.
Diese scheinen plötzlich tonnenschwer zu sein.
Der Mensch spürt,
wie im Schatten des Grabes plötzlich eine Bewegung entsteht,
klein zuerst, ganz fein, unscheinbar.
Aber schließlich kräftiger wird,
wächst, gedeiht, sich entwickelt, Macht erzeugt.
Es wirkt wie ein Feuer, das noch zugedeckt ist,
aber den Deckel umzingelt, sich befreien will aus seinem Erdgefängnis.
Der Mensch spürt Angst.
Er spürt Kräfte, die er nicht kennt.
Und er wendet sich ab vom Grab, versucht Distanz zu schaffen.
Aber bald merkt er, dass es Dinge gibt, zu denen man keine Distanz schaffen kann.
Das Beben der Erde holt ihn ein.
Der Feuerschein überbietet in seiner Helligkeit
die Dunkelheit der Wolken und trocknet sogar den leichten Regen.
Urgewalten scheinen miteinander zu kämpfen,
neue Welten entstehen.
Neue unbekannte Dimensionen werden geboren.
Sie bestehen nicht aus Beben,
nicht aus Feuer,
werden aber aus der lichten Seele der Erde und dem Willen des Himmels geformt.
Der Mensch will gehen, aber eine Gestalt in Licht steht auf dem Weg.
Sie hat keine Formen, die man beschreiben könnte.
Die Helligkeit ist brillant und diffus in einem.
Sie ist konzentriert und breitet sich dennoch aus.
Der Mensch steht und staunt und fühlt auch Angst,
die erst allmählich einer Hoffnung weicht.
Er weiß nicht,
ob er das Geschehen begreifen kann.
Schließlich gibt es Dimensionen,
die weit über das hinausgeht,
was ein Mensch erfassen kann.
Dann hat er verstanden, dass der Tode nicht mehr tot ist.
Die Erde hat ihr Vermächtnis entlassen,
der Himmel hat sich geöffnet, um es aufzunehmen.
Doch es ist keine Fragen zwischen oben und unten, rechts und links.
Es ist eine Frage zwischen Vorstellbar und Unvorstellbar.
Und es ist eine Frage zwischen Leid und Freude.
So wird das Unvorstellbare zur Freude.
So wird die Helligkeit des Neuen zum Trost.
So wird das Erleben des Tages zum Vermächtnis der Gedanken.
Wir enden mit Amen.