Enkel

Enkel

 

Diese Geschichte wird in Deutschland erzählt. Sie entstand im 19. Jahrhundert.

Es war einmal ein Großvater, der schon sehr, sehr alt war. Seine Beine gehorchten ihm nicht mehr, die Augen sahen schlecht, die Ohren hörten nicht mehr viel und Zähne hatte er auch keine mehr.

Beim Essen floss dem alten Mann die Suppe aus dem Mund. Der Sohn und die Schwiegertochter verboten ihm daher, am Tisch mitzuessen. Sie brachten ihm sein Essen hinter den Ofen, wo er in seiner Ecke saß.

Eines Tages, als man ihm die Suppe in einer Schale hingetragen hatte, ließ er diese fallen und sie zerbrach. Die Schwiegertochter machte ihm schwere Vorwürfe. Er beschädige im Haus alles, zerschlage das Geschirr. Daher gebe sie ihm von jetzt an das Essen in einer Holzschüssel. Der Greis seufzte nur und sagte nichts.

Als der Mann und die Frau einige Tage später zu Hause beisammensaßen, sahen sie, wie ihr Sohn auf dem Fußboden mit kleinen Brettern spielte und etwas zimmerte.

Der Vater fragte ihn: „Was soll das denn werden?“

Der Sohn antwortete: „Das soll eine Holzschüssel werden. Daraus werde ich dir und der Mutter zu essen geben, wenn ihr alt geworden seid.“

Der Mann und die Frau sahen sich an und erschraken. Ihnen wurde plötzlich bewusst, wie sehr sie den Greis gekränkt hatten, und sie schämten sich. Fortan ließen sie ihn wieder am Tisch sitzen und waren freundlich zu ihm.

Kreuz

Kreuz

 

Eine christliche Geschichte. Sie stammt aus dem Europa des 19. oder 20. Jahrhunderts.

Ein Mensch schleppt sein Kreuz mit sich herum. Er ist der Meinung, dass ihm dieses Kreuz von Gott zu Unrecht auferlegt wurde. Er glaubt, er habe es nicht verdient. Deshalb begibt sich der Mensch zu Gott. Dort steht er und schaut seinen Schöpfer an und spricht: „Herr, das Kreuz, das du mir gegeben hast ist viel zu schwer. Ich kann kaum noch mit dem Kreuz gehen. Jeden Tag schleppe ich es mit mir herum. Es drückt und schmerzt. Kann ich es nicht eintauschen gegen ein anderes?“

„Ja natürlich.“ Sagt Gott. Er deutet auf eine Tür. „Geh dort in den Raum und suche dir ein anderes Kreuz aus. Du musst aber wissen, dass das Kreuz, das du wählst auch behalten musst.“

Der Mann nickt zustimmend. Er geht hocherfreut in den Raum. Dort befinden sich jede Menge Kreuze in allen möglichen Größen, in unterschiedlichen Formen. Er stellt sein Kreuz in die Ecke und schaut sich aufmerksam um. Da erblickt er ein recht kleines Kreuz. Er denkt, das sieht gut aus, klein und handlich. Das tausche ich ein. Er legt das neue Kreuz über seine Schulter, dankt Gott und geht ganz beschwingt davon.

Nach einiger Zeit kehrt er allerdings zurück und klagt Gott erneut sein Leid: „Herr, das neue Kreuz, das ich mir vor ein paar Wochen aussuchte ist zwar klein und handlich, aber es ist unendlich schwer. Bei jedem Schritt scheint es an Gewicht zuzunehmen. Und außerdem hat es scharfe Kanten, die mir ins Fleisch schneiden. Ist es wohl möglich, dieses Kreuz wieder einzutauschen?

Gott ist nicht so erbaut von diesem Vorschlag. Er sagt dem Menschen, dass es kein Tauschgeschäft mit Kreuzen gibt. Aber dann erbarmt er sich doch und erlaubt dem Menschen, sein Kreuz noch einmal zu tauschen. Der Mensch ist erfreut, sieht sich wieder in dem Kreuzraum um, legt das alte Kreuz ab, wo er es einst gefunden hatte. Er erblickt ein anderes. Zwar ist es recht lang, aber es besteht aus runden Hölzern, ist anscheinend leichter zu tragen. Als er das Kreuz in die Höhe hebt, stellt er fest, dass es sogar recht leicht ist. Er bittet Gott um dieses Kreuz. Schließlich verlässt er dankend und vergnügt mit seinem neuen Kreuz den Himmel.

Doch nur nach wenigen Wochen sucht er schon wieder Gott auf. Dieser sieht ihn nun missmutig an. Der Mensch ist zaghaft. Er fällt auf seine Knie und sagt: „Herr, ich weiß, ich strapazierte deine Geduld. Ich sollte eigentlich nicht hier sein. Ich bin undankbar. Dieses Kreuz, das ich nun trage, ist zwar durchaus leicht, es schneidet mir auch nicht mehr in meine Schultern. Doch es ist lang. Überall ecke ich an, ich kann mich kaum damit bewegen. Ich muss ständig achtgeben, wenn ich durch die Straßen laufe. Außerdem ist es rund. Deshalb rutscht es mir dauernd vom Rücken und ich musste es mit den Händen sehr festhalten. Ich sehe ein Herr, es war keine gute Idee, mein Kreuz tauschen zu wollen. Ich hätte eine letzte Bitte: Kann ich mein altes Kreuz wiederhaben, das du mir zugewiesen hast?“

Gott lächelte und nickte.

Vertrauen

Vertrauen

 

Das ist eine christliche Geschichte – oder eine atheistische. Sie klärt auf zwischen Glauben und Vertrauen. Sie ist westlich geprägt und wohl auch neueren Datums.

Ein Atheist fiel von einer Klippe. Beim Hinunterstürzen packte er den Zweig eines kleinen Baumes. Dort hing er nun zwischen dem Himmel und den dreihundert Meter tiefer liegenden Felsen, wohl wissend, dass er sich nicht mehr lange festhalten konnte.
Plötzlich kam ihm eine Idee.
Er rief nach Gott, so laut er konnte.
Schweigen, niemand antwortete.
Er schrie erneut: „Gott, wenn es dich gibt, rette mich, und ich verspreche, dass ich an dich glauben werde.“
Wieder Schweigen.
Dann ließ er den Zweig vor Schreck beinahe los, als eine kräftige Stimme über den Canyon dröhnte: „Das sagen sie alle, wenn Not am Mann ist.“
„Nein, Gott, nein.“ Rief er laut, nun etwas hoffnungsvoller. „Ich bin nicht wie die anderen. Ich habe ja schon begonnen zu glauben. Ich habe deine Stimme vernommen. Ich glaube deiner Stimme. Du musst mich bloß noch retten. Dann will ich deinen Namen bis an die Enden der Welt verkünden.“
„Gut.“ Sagte die Stimme. „Ich werde dich retten. Lasse den Zweig los.“
„Den Zweig loslassen?“ Schrie der verzweifelte Mann. „Hältst du mich für verrückt?“

Hemd

Hemd

 

Es war einmal ein alter, reicher und mächtiger König. Er lebte wahrscheinlich im Mittelalter, irgendwo in Deutschland.

Ein König herrschte mit viel Verständnis für seine Untertanen. Aber plötzlich erkrankte er. Obwohl in seinem Reich viele Mediziner lebten, er sie auch konsultierte, konnte ihm niemand helfen. Er ließ im ganzen Land verkündigen, dass er diejenigen belohnen würde, die ihn heilen würden. So kamen neben seinen Medizinern auch alle möglichen Gelehrte und Berater. Aber keiner konnte ihm zur Gesundung verhelfen. Eines Tages, als er schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, klopfte ein alter Mann an das Tor des Palastes. Er erklärte, dass er dem König helfen wolle. Deshalb ließ man ihn vor und der König gewährte ihm Audienz. Der alte Mann beobachtete den König eine Weile und sagte dann: „Du brauchst nur eins zu deiner Gesundheit. Du musst das Hemd eines Glücklichen finden und dieses dann jeden Tag anziehen.“ So sagte der alte Mann, nickte und verschwand und ließ den König zurück.

Der König wollte dem Rat natürlich folgen, deshalb schickte er Boten in das ganze Reich, die eben das Hemd des Glücklichen besorgen sollten. Aber sie kamen zurück und mussten zugeben, dass sie das Hemd nicht gefunden hatten. Der König ließ auch seine Minister und Ratgeber ausschwirren, um das Hemd des Glücklichen zu finden. Auch sie kamen unverrichteter Dinge zurück. Anscheinend gab es im Reich des Königs keine wirklich glücklichen Menschen. Alle hatten irgendwelche Kümmernisse, Krankheiten und Beschwerden.

Der König wollte bereits aufgeben, da kam sein Sohn zu ihm und bot an, sich selbst auf die Suche zu machen nach dem Hemd des Glücklichen. Der König ließ ihn mit guten Wünschen ziehen. Die meisten Menschen, die der Königssohn fand, waren aber unglücklich oder zumindest unzufrieden mit ihrem Leben. Es gab Menschen die reich waren, aber an Krankheiten und Schmerzen litten. Andere waren gesund, aber sie stöhnten unter Armut, Not und Repressalien. Andere lebten sogar in großer Fülle. Da sich ihr Geld aber aus undurchsichtigeren Quellen speiste, hatten sie Angst davor, aufzufliegen. Jedenfalls traf der Königssohn überall nur Menschen, die über ihr Leben, über ihr Schicksal oder über Menschen klagten und sich ungerecht behandelt fühlten. Der Königssohn war recht verzweifelt und hatte keine Hoffnung mehr, seinem Vater dieses Glückshemd mitzubringen. Er machte sich daher auf den Heimweg. Dabei passierte er eine recht einsame Gegend, in der nur wenige Menschen lebten. Es war Abend geworden und er kam zu einer winzigen Hütte. Er konnte ein einfaches Kerzenlicht erkennen und er hörte eine Stimme, die ein Lied von Glück und Zufriedenheit sang. Der Königssohn staunte und freute sich. Voller Hoffnung klopfte er an die Tür. Er vermutete, hier könnte ein Glücklicher wohnen. Ein alter Mann hieß ihn willkommen, bewirtete ihn mit einfachen Speisen und bot ihm sogar ein Nachtlager an. Der Königssohn erzählte ihm seine Geschichte und berichtete von der Krankheit seines Vaters. Das Hemd eines Glücklichen sei die einzige Medizin. Und er fragte den alten Mann, ob er glücklich sei. Der bejahte. So bat der Königssohn um ein Hemd, das er seinem Vater mitbringen könnte. Der alte Mann antwortete: “Ich würde dir gerne mein Hemd geben, aber ich trage kein Hemd unter meinem Kittel. Das kann ich mir nicht leisten.“

Da war der Königssohn ganz traurig, aber der alte Mann erklärte ihm: „Der Rat des weißen Mannes ist wohl richtig. Aber es muss sich nicht unbedingt um ein Hemd aus Stoff handeln. Geh zurück zu deinem Vater und erinnere ihn an die Worte. Finde das Hemd des Glücklichen und ziehe es jeden Tag an.“

Der Königssohn bedankte sich für die Worte und machte sich auf den Weg nach Hause. Inzwischen war der König sehr schwer krank. Man ging davon aus, dass er bald sterben würde. Der Sohn erzählte seinem Vater die Geschichte seiner Suche und natürlich insbesondere die Begebenheit mit dem Glücklichen. Der alte König ließ sich diese Geschichte immer wieder von seinem Sohn erzählen und langsam reifte in ihm die Erkenntnis, dass es allein an ihm liegt, das Hemd des Glücklichen anzuziehen. Von Tag zu Tag ging es dem König sichtbar besser. Der König fühlte sich wohl. Er arbeitete nicht mehr so viel, genoss sein Leben, saß in der Sonne und sah seinen Untertanen zu. Wenn jemand fragte, was der König eben mache, so wurde ihm häufig geantwortet, er ziehe gerade das Hemd des Glücklichen an.

Schicksal

Schicksal

 

Eine Geschichte aus der arabischen Welt, entstanden im späten Mittelalter. Es geht um die Konfrontation mit dem Tod.

Der Maharadscha von Damaskus war ein kluger und großzügiger Herrscher. Er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, junge Menschen in jeder Hinsicht zu fördern. An seinem Hof gab es einen hochbegabten jungen Mann, der ihm eines Tages, laut nach Hilfe rufend, aus dem Garten entgegenkam. 

„Was ist los?“ Fragte der Maharadscha.

„Gebt mir ein Pferd, gebt mir Euer bestes Pferd. Ich muss noch heute nach Bagdad reiten.“ Rief der junge Mann.

Begütigend nickte der Ältere. „Du sollst es haben. Sofort wird es dir gebracht. Aber sag mir doch, wofür du es brauchst?“ 

Der junge Mann erzählte voller Aufregung: „Ich habe eben im Garten den Tod getroffen. Er hatte die Arme nach mir ausgestreckt, und ich bin ihm knapp entflohen. Ich muss noch heute nach Bagdad reisen, um meine Träume zu erfüllen, bevor es zu spät ist.“

Er sprang auf das Pferd und raste davon.

Der Maharadscha ging daraufhin nachdenklich in den Garten, traf dort den Tod und fragte ihn: „Warum musstest du denn den jungen Mann so erschrecken?“  

Der Tod zuckte die Schulter. „Ich wollte ihn nicht erschrecken. Ich habe nur vor Verwunderung meine Arme in die Luft geworfen. Ich habe gar nicht damit gerechnet, ihn hier im Garten anzutreffen, denn wir haben heute Nacht eine Verabredung in Bagdad.“

 

Mit Gott

Mit Gott

Mit Gott werden wir große Taten vollbringen

(Ein Aktions-Psalm, nach Psalm 108)

Gott, mein Herz ist voller Zuversicht, darum will ich singen und für dich musizieren. Ich will für dich Texte entwerfen und Fotografien machen.

Alles in mir soll sich äußern. Meine Kunst und meine Kreativität sollen aufwachen.

Ich will den neuen Tag mit Gesängen, mit Worten und Bildern begrüßen.

Ich will dir danken vor den Völkern, vor allen Menschen. Ich will diesen Dank in meiner Kunst ausdrücken.

Groß ist deine Güte, sie reicht über den Himmel hinaus! Und wohin die Wolken auch ziehen: Überall ist deine Treue!

Gott, zeige uns Menschen deine Größe, die den Himmel überragt; erweise auf der ganzen Welt deine Hoheit und Macht! Befreie uns – wir sind doch deine geliebten Menschen! Erhöre uns und komm uns zu Hilfe!

Gott hat in seinem Heiligtum versprochen: „Im Triumph will ich meinen Menschen die Berge und Täler der Welt übergeben. Sie sollen die Meere erobern und die Inseln bewohnen. Ich gebe meinen Menschen die Macht und die Verantwortung über die Natur.“

Doch gerade du, Gott, hast uns nun verlassen. Unsere Weisheit triumphiert nicht mehr über die Naturgewalten. Die Bäume haben zum Gegenschlag ausgeholt. Und die Wolken bringen nur giftigen Ruß in unsere Städte.

Rette uns vor den Unbilden der Natur. Gibt uns wieder die Kraft und den Mut, um die Welt zu retten und zu bewahren. Wir müssen unser Leben sichern und die Natur bewahren.

Du bist der Herr der Weisheit. Versorge uns mit deiner Weisheit. Damit wir die Welt weise pflegen und behandeln können.

Deshalb bin ich, mein Gott, voller Zuversicht, darum will ich singen und für dich musizieren. Ich will für dich dichten und dein Antlitz abbilden. Alles in mir soll sich entsprechend äußern. Meine Kunst und meine Kreativität wollen dich lobpreisen.

 

(Wir gehen jeden Tag mit Zuversicht und Verantwortungsbewusstsein an unser Tagwerk. Wir ehren Gott, anerkennen unsere Mitmenschen und bewahren die Natur.)

Optimisten-Psalm

Optimisten Psalm

Ein Optimisten Psalm

(Wie man den Tag mit guten Gedanken beginnen kann)

 

Ich stehe voller Andacht am Fenster und beobachte den Sonnenaufgang.

Wie sich zuerst das Firmament rötlich färbt, wie Du Deine Botschaft in den Himmel schreibst.

Ich begrüße den Tag und seinen Schöpfer,

der jeden Tag neu modelliert, neu gestaltet, neu formt.

Du hast uns Menschen diesen Tag geschenkt. Wir sollen pfleglich damit umgehen.

Ich freu mich auf alles, was mir dieser Tag bringen wird, denn ich weiß, ich bin behütet bei Dir.

Ich werde Menschen loben, andere kritisieren. Ich werde meine Meinung sagen und dafür einstehen.

Ich werde auf die Straße gehen und meine Besorgungen erledigen.

Ich werde verantwortlich arbeiten und genau mein Ergebnis überprüfen.

Ich werde Mitsprache einräumen und Mitsprache einfordern.

Ich werde helfen und Hilfe benötigen. Ich werde ziehen und schieben.

 

Ich stelle voller Andacht am Fenster und beobachte den Sonnenaufgang.

Die Sonne ist schon ans Firmament gewandert, der rote Schein ist verblasst.

Ich denke über den Tag nach. Ich plane und ich treffe Entscheidungen.

Ich werde zielstrebig vorgehen und Schritt für Schritt durch den Tag gehen.

Ich weiß, dass Du mich begleiten wirst, denn Du bist der Schöpfer eines jeden Tages, somit auch mein Helfer. Ich bin verpflichtet, den Tag gut zu nutzen.

Ich bin guten Mutes und ich weiß, dass Dein Geist meinen Worten Überzeugungskraft geben wird.

Ich weiß, dass meine Entscheidungen von Dir überprüft wurden, dass sie Gutes bewirken.

Ich bin getrost, weil ich weiß, dass ich das Richtige sage und tue und entscheide.

Ich habe keine Angst vor Konsequenzen. Ich bin nicht verzagt.

Das verdanke ich Deinem Beistand.

 

Ich stehe voller Andacht am Fenster und erkenne, dass die Sonne aufgegangen ist. Sie steht am Himmel. Sie beleuchtet Deine Göttlichkeit.

Das ist die richtige Zeit für mich, das Haus zu verlassen, den Alltag zu beginnen.

Ich mache das mit Gelassenheit, weil ich weiß, dass Du mich begleitest.

Ich bin ein Optimist aus Deinen Gnaden.

 

(Wir Christen sollten mit Optimismus in den Tag starten, denn der Tag gehört Gott. Er hat ihn uns zur Verfügung gestellt.)

 

Kunst ist eine Form der Kreativität

Verzagtheit

Ein Psalm in Tagen der Verzagtheit

Ein Psalm in Tagen der Verzagtheit

(Ein Psalm für einen Regentag)

 

Die sonnigen Tage sind vorbei. Es regnet in Strömen.

Der Tag ist von Dunkelheit geprägt.

Obwohl Du alle meine Tage zählst,

liegen die Tage der leichten Fröhlichkeit hinter mir.

Sie gehören der Vergangenheit an.

Nur die Erinnerungen bleiben mir.

 

In den sonnigen Tagen war selbst die Schwere leicht.

Die Aufgaben nur niedrige Hürden.

Ich konnte sie mit Elan überspringen.

Ich habe diese Leichtigkeit des Lebens genossen.

Ich sehne mich heute danach.

 

Nun lebe ich in den dunklen Tagen. Es regnet in Strömen.

Der Tag ist von Dunkelheit geprägt.

Ich habe Schmerzen und meine Gedanken sind schwer.

Ich trinke meine Tränen.

Ich schicke meine Worte zu Dir.

Herr erhöre mich.

 

Du warst in den Tagen des Sonnenscheins mit mir.

Ich durfte Deinen Namen feiern und lobsingen.

Ich konnte Dir jeden Tag voller Überschwang danken.

Ich habe diese Zeit nicht vergessen.

Aber nun brauche ich Dich mehr denn je.

Auch wenn der Sonnenschein nicht mehr zurückkommt,

so bitte ich doch, dass der Regen aufhört.

 

Schenke mir wieder etwas Lebensfreude.

Gibt mir Zuversicht. Schicke mir Deinen Geist.

Du hast meine Sonnentage gezählt, nun zählst Du meine Regentage.

Alles kommt und geht. Nur Du bleibst.

Nur Du zählst jede Minute unseres Lebens.

Dafür danke ich Dir auch im Regen.

Gestern, heute und in alle Ewigkeit.

 

(Die Natur benötigt Regentage und Sonnentage. Wir Menschen wollen uns arrangieren mit Regen- und Sonnentage. Der Herr ist der Schöpfer von Regen und Sonne.)

Der unverschämte Sinn des Lebens

Der unverschämte Sinn des Lebens

Der unverschämte Sinn-Psalm

(Ein Gebet, das der Sinnfindung unseres Lebens gewidmet ist)

 

Herr mein Gott,

Ich stelle dir die Frage nach dem Sinn meines Lebens.

Ich zweifle, kann mir selbst diese Frage nicht beantworten.

Gut haben es die Putzerfischer, die die Mantas von Mitessern befreien.

Welche Elemente kann ich befreien mit welchem Ziel?

Gut haben es die Büffelkopfpapageienfische. Sie fressen abgestorbene Korallen. Aus ihren Ausscheidungen entstehen neue Korallen, farbenprächtig.

Meine Ausscheidungen, meine Gülle vergiften die Welt.

Gut haben es die Feigenwespen, die für die Bestäubung der Feigen sorgen. Dann wachsen die Feigen und ermöglichen die Existenz der Gibbons.

Herr mein Gott,

Du hast eine Welt geschaffen, in der alles seinen Sinn hat.

Nur ich, Mensch, stelle mir die Frage nach dem Sinn meines Lebens.

Was bewirkt mein Tun? Stärkt es das Leben in dieser Welt oder trägt es zu ihrer Vernichtung bei?

Wissen die Putzerfische und die Feigenwespen was sie tun?

Ist ihre Existenz gut oder schlecht? Wichtig oder zu vernachlässigen?

Haben wir Menschen eine Berechtigung, auf der Welt zu leben?

Herr mein Gott,

Die Ameisen behüten und kämpfen für ihre Königin, säubern die Wälder in ihrem Auftrag.

Wer gibt den Menschen den Lebens-Auftrag?

Hast du dich geäußert, was wir auf dieser Welt vollbringen sollen?

Gut wir sollen lieben, zeugen, entbinden, aufziehen. Und dann?

Was ist unser Sion, wenn der Sex eingetrocknet ist und die Liebe auf Sparflamme dümpelt?

Was haben wir davon, wenn wir Auto, Flugzeug, Rakete erfinden?

Ist das Bruttosozialprodukt unser Lebenssinn?

Herr mein Gott,

Ich befürchte diese Frage ist zu schwierig für dich.

Wir Menschen werden sie beantworten müssen.

Aber könntest du unseren Geist stärken, unsere Wahrnehmung schärfen?

Kannst du uns die Frage beantworten, ob wir dich benötigen in unserem sinnlosen Leben?

 

(Wir müssen mehr nachdenken, den Sinn des Lebens ergründen. Vielleicht ist es einfach nur Gottes Liebe, die wir weitergeben sollen.)