Spiegelsaal

Spiegelsaal

 

Diese Geschichte gibt es in vielen Variationen und wird in vielen Ländern erzählt. Die erste Geschichte stammt aus Spanien. Es geht um ein Herrschaftshaus, in dem sich ein großer Saal befindet. Dieser Saal ist ganz mit Spiegeln ausgestattet. Deshalb trägt er auch den Namen Spiegelsaal. In diesem Saal wurden viele Feste gefeiert. Alt und Jung, Frauen und Männer, Erwachsene und Kinder haben diesen Saal bereits erlebt.

 

Es gab in Indien den Tempel der tausend Spiegel. Er lag hoch oben auf einem Berg und sein Anblick war gewaltig. Eines Tages kam ein Hund und erklomm den Berg. Er stieg die Stufen des Tempels hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel.
Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne.
Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und bedrohlichen Hunden besteht.
Einige Zeit später erklomm ein anderer Hund den Berg. Auch er stieg die Stufen hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel. Als er in den Saal mit den tausend Spiegeln kam, sah auch er tausend andere Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang fröhlich hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf.
Dieser Hund verließ den Tempel mit der Überzeugung, dass die ganze Welt aus netten, freundlichen Hunden besteht, die ihm wohlgesonnen sind.

Streit

Streit

 

Glück und Unglück liegen nahe beisammen. Es ist in uns Menschen wohl angelegt, dass wir dem Glück auf die Beine helfen wollen. Manchmal führt dies allerdings auch ins Unglück.

Der Löwe, der König der Savanne lag krank in seiner Höhle und mühte sich redlich, wieder auf die Beine zu kommen. Alle Tiere machten ihm ihre Aufwartung. Nur der Fuchs zögerte.
Das bemerkte der Wolf und er vermeinte, dem Fuchs, seinem Todfeind einen Streich zu spielen. Daher sprach der Wolf zum Löwen: „Der Fuchs ist ein nichtsnutziger Kerl. Er ist voller Stolz und Verachtung für andere. Du hast selbst gesehen, dass er dir keinen Krankenbesuch macht.“ Der Löwe vernahm die Worte, wurde zornig und sann darauf, dem Fuchs eine Lektion zu erteilen.

In dem Augenblick kam der Fuchs daher und vernahm noch den Schluss der Rede. Er erkannte, dass ihn der Wolf beim Löwen angeschwärzt hatte. Wie konnte er sich schützen? Dem Löwen war zuzutrauen, ihn mit einem Schlag zu vernichten.
Schlau und listig wie der Fuchs nun einmal ist, kam ihm auch gleich eine zündende Idee. Er bat den Löwen um Erlaubnis, vor seiner Bestrafung noch reden zu dürfen und sprach: „Mein lieber Löwe, es gibt wohl kein Tier, das mehr um das Leben unseres so großmütigen Königs besorgt ist als ich. Kaum hatte mich die Nachricht von eurer Krankheit erreicht, machte ich mich sofort daran, nach einem Mittel zu suchen, eure Gesundheit wieder herzustellen.“
„Sprich weiter.“ Entgegnete der interessierte Löwe.
„Dieses Mittel, welches euch baldmöglichst genesen lässt, habe ich jetzt vor einer Stunde gefunden und ich beeilte mich sofort, hierher zu kommen.“
Bei dieser Rede legte sich der Zorn des Löwen und er fragte schnell, was denn das für ein Mittel sei.
„Sofortige Genesung von all deinen Krankheiten erhältst du, wenn du deinen Bauch und deine Rippen in eine frisch abgezogene, noch warme Wolfshaut einhüllst.“
Der Fuchs hatte noch keine Sekunde ausgesprochen, machte sich der Löwe über den Wolf her und zog ihm bei lebendigem Leib die Haut ab. Der Fuchs war froh, durch diesen Einfall sein Leben gerettet zu haben. Aber vorsichtshalber machte auch er sich aus dem Staub.

Piranha

Piranha

 

Wir erwirbt man seine Lebenserfahrung? Und welche Konsequenzen hat dies? Diese Geschichte und ihre Varianten stammen aus dem Tierreich. Sie sind wahrscheinlich übertrieben, denn die Lebenserfahrung ist nicht statisch, sondern kann sich auch ändern.

Piranhas sind Raubfische. Sie lieben besonders Makrelen, zum Frühstück, zu Mittag und zum Abendessen.

Wissenschaftler haben ein Experiment gemacht. In ein Aquarium setzte man eine Piranha und eine Makrele. Das Ergebnis konnte man schnell beobachten. Wie nicht anders zu erwarten, fraß die Piranha die Makrele.

In einer zweiten Testphase unterteilte man das Aquarium mit einer Glaswand. Auf der einen Seite befand sich die Piranha, auf der anderen Seite, geschützt durch die Glaswand, die Makrele. Sofort schwamm die Piranha auf die Makrele zu und wollte sie fressen. Aber sie stieß unsanft gegen die Glaswand. Diese Erfahrung machte die Piranha nun viele Male. Sie machte die Erfahrung, dass sie die Makrele nicht fressen konnte. Schließlich gab die Piranha auf. Sie schwamm nicht mehr auf die Makrele zu, versuchte sie nicht mehr zu fressen, sie ignorierte sie.

In der dritten Testphase entfernte man die Scheibe. Die Piranha konnte die Makrele wieder fressen. Aber sie tat es nicht. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass sie die Makrele nicht fressen konnte und hatte dies verinnerlicht. Selbst als es wieder möglich gewesen wäre, die Makrele zu fressen, wollte sie nicht mehr. Die beiden Fische lebten friedlich miteinander.

Horizont

Horizont

 

Noch eine Geschichte aus der Tierwelt. Es geht darum, den Horizont zu erweitern und somit die Fesseln des Lebens abzustreifen.

Es war einmal ein Huhn, das auf einem eingezäunten Ackerland am Zaun entlanglief. Es hatte gesehen, dass auf der anderen Seite des Zauns eine große Menge Futter lag. Das Huhn war sehr hungrig und wollte sich gerne an diesem Futter laben. Der Hunger quälte es. Das Huhn war fast dem Verhungern nahe. Deshalb versuchte es alles Erdenkliche. Es probierte, über den Zaun zu fliegen. Aber der war zu hoch. Es suchte nach einer Lücke im Zaun. Aber der Zaun war fest geknüpft. Es gab keine Lücke. Das Huhn stieß mit aller Macht gegen den Zaun, um ihn zu lockern. Aber der Zaun gab nicht nach. Das Huhn nahm Anlauf und flog mit aller ihm zur Verfügung stehenden Kraft gegen den Zaun. Es hatte keinen Sinn. Da kam Panik auf. Das Huhn raste hin und her und verausgabte sich. Schließlich fiel es tot um.

Dabei wäre es sehr einfach gewesen: Das Huhn hätte nur ein paar Meter am Zaun entlang gehen müssen. Denn dann hätte das Huhn entdeckt, dass der Zaun aufhört. Es hätte den Zaun umrunden können, um zum Futter zu gelangen. Aber soweit hatte es leider nicht gedacht.

 

Schnecke

Schnecke

 

Eine Tierfabel, die sich um die Tiere und den Menschen handelt.

Ein kleiner Junge wollte Gott treffen. Er packte Getränke und Schokoladenriegel in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg. Er marschierte durch die Stadt bis er müde wurde. In einem Park sah er eine alte Frau, die auf einer Bank saß und den Tauben zuschaute. Der Junge setzte sich zu ihr und öffnete seinen Rucksack. Nun wollte er sich stärken. Als er eine Cola herausholen wollte, bemerkte er, dass die alte Frau ihn hungrig ansah. Er nahm einen Schokoriegel und gab ihn der Frau. Dankbar lächelte sie ihn an.

Der Junge war von diesem Lächeln begeistert und beglückt. Um dieses Lächeln noch einmal zu sehen, bot ihr der Junge auch eine Cola an. Sie nahm sie und lächelte wieder, noch strahlender als zuvor. So saßen die beiden den ganzen Nachmittag im Park.

Als es dunkel wurde, verabschiedete sich der Junge. Zu Hause fragte ihn seine Mutter: „Du siehst so fröhlich aus, was hast du denn heute Schönes gemacht?“ Der Junge antwortete: „Ich habe mit Gott Mittag gegessen – und sie hat ein wundervolles Lächeln!“

Auch die alte Frau war nach Hause gegangen, wo ihr Sohn sie fragte, warum sie so fröhlich aussehe. Sie antwortete: „Ich habe mit Gott Mittag gegessen – und er ist viel jünger, als ich dachte.“

Mittagessen

Mittagessen

 

Wie kann man sich Gott vorstellen? Wir wissen es nicht. Die kleine Geschichte beschreibt, wie man Gott erfahren kann.

Ein kleiner Junge wollte Gott treffen. Er packte Getränke und Schokoladenriegel in seinen Rucksack und machte sich auf den Weg. Er marschierte durch die Stadt bis er müde wurde. In einem Park sah er eine alte Frau, die auf einer Bank saß und den Tauben zuschaute. Der Junge setzte sich zu ihr und öffnete seinen Rucksack. Nun wollte er sich stärken. Als er eine Cola herausholen wollte, bemerkte er, dass die alte Frau ihn hungrig ansah. Er nahm einen Schokoriegel und gab ihn der Frau. Dankbar lächelte sie ihn an.

Der Junge war von diesem Lächeln begeistert und beglückt. Um dieses Lächeln noch einmal zu sehen, bot ihr der Junge auch eine Cola an. Sie nahm sie und lächelte wieder, noch strahlender als zuvor. So saßen die beiden den ganzen Nachmittag im Park.

Als es dunkel wurde, verabschiedete sich der Junge. Zu Hause fragte ihn seine Mutter: „Du siehst so fröhlich aus, was hast du denn heute Schönes gemacht?“ Der Junge antwortete: „Ich habe mit Gott Mittag gegessen – und sie hat ein wundervolles Lächeln!“

Auch die alte Frau war nach Hause gegangen, wo ihr Sohn sie fragte, warum sie so fröhlich aussehe. Sie antwortete: „Ich habe mit Gott Mittag gegessen – und er ist viel jünger, als ich dachte.“

 

Königskind

Königskind

 

Es war einmal ein König. Seine Untertanen waren verbittert und unzufrieden und sie fürchteten ihren Herrscher. Der König hatte dies erkannt, aber er konnte sich keinen Reim auf die Gründe machen.

Eines Tages ließ der König alle Bewohner am Stadtplatz versammeln, um ihnen etwas Wichtiges mitzuteilen. Gespannt und ängstlich richteten die Menschen ihre Blicke auf den König und waren neugierig auf die wichtige Mitteilung.

Der König sprach: „Ich habe heimlich ein Königskind unter eure Kinder gebracht. Behandelt es gut. Sollte ich erfahren, dass meinem Kind Schlechtes widerfährt, werde ich den Schuldigen zur Rechenschaft ziehen!“

Dann kehrte der König auf sein Schloss zurück. Die Stadtbewohner fürchteten die Strafe. Niemand wusste, welches das Königskind war. Wie sollten sie sich verhalten? Vorsichtshalber begannen die Menschen, alle Kinder in der Stadt so zu behandeln, als wäre jedes einzelne das Königskind.

Es vergingen viele Jahre. Die Kinder wurden zu Erwachsenen und bekamen selber Kinder. Der mittlerweile alte König beobachtete mit Genugtuung die Entwicklung in seiner Stadt. Aus der früher armen und schmutzigen Stadt wurde eine prachtvolle, weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Stadt. Es gab Krankenhäuser, Schulen, eine große Bibliothek …

Die Bewohner waren zufrieden und glücklich.

Und warum?

Weil alle Bewohner die Kinder in der Stadt mit viel Liebe erzogen haben. Da niemand wusste, welches Kind das Königskind war, wurde jedes Kind in der Stadt so behandelt, als sei es das Königskind.

Ordnung

Ordnung

 

Eine schöne Geschichte. Modern. Sie stammt sicherlich aus unserer Zeit. Eine überraschende Lösung.

Ein kleiner Junge kam zu seinem Vater und wollte mit ihm spielen. Der aber hatte keine Zeit für den Jungen und auch keine Lust zum Spiel. Also überlegte er, womit er den Knaben beschäftigen könnte.

Er fand in einer Zeitschrift eine komplizierte und detailreiche Abbildung der Erde. Dieses Bild riss er aus und zerriss es dann in viele kleine Teile. Das gab er dem Jungen und dachte, dass der mit diesem schwierigen Puzzle wohl eine ganze Zeit beschäftigt sei.

Der Junge zog sich in eine Ecke zurück und begann mit dem Puzzle. Nach wenigen Minuten kam er zum Vater und zeigte ihm das fertig zusammengesetzte Bild.

Der Vater konnte es kaum glauben und fragte seinen Sohn, wie er das geschafft habe.

Das Kind sagte: „Ach, auf der Rückseite war ein Mensch abgebildet. Den habe ich richtig zusammengesetzt. Und als der Mensch in Ordnung war, war es auch die Welt.“

Träume

Träume

 

Ein Junge lebte mit seiner Mutter und einigen Geschwistern auf einem Bauernhof. Die Familie war arm und der Junge musste auf dem Bauernhof mitarbeiten. Die Geschichte stammt aus dem 20. Jahrhundert und spielte in unserer westlichen Welt.

Der Junge ging, trotz aller Arbeit auf dem Bauernhof, in die Schule.  Er war aufmerksam, fleißig und ein guter Schüler.

Obwohl sein Leben aus viel harter Arbeit bestand, pfiff oder
summte er stets ein fröhliches Liedchen und träumte vor sich hin. Ja, er hatte große Träume; Träume über seine Zukunft. Daher war er begeistert, als eines Tages seine Lehrerin den Schülern als Hausaufgabe einen Aufsatz zum Thema „Erreichbare Lebensträume“ schreiben ließ.
Er war ein perfekter Träumer. Er wusste ganz genau, wie er sich sein Leben und seine Zukunft vorstellte. Er träumte von großen Reisen. Er wollte einen Sportwagen fahren, in einem schönen Haus wohnen und noch viel mehr.
Sein liebster Traum war, dass er beruflich so erfolgreich wird, dass
sogar Zeitungen über ihn berichten.
Bis weit nach Mitternacht schrieb er an seiner Hausaufgabe.
Als er diese mit der Note 5 zurückbekam, war er maßlos enttäuscht
und erkundigte sich bei seiner Lehrerin nach dem Grund dieser
Note. Diese antwortete: „Du hast zwar einen schönen Aufsatz geschrieben, doch es ist leider eine Themaverfehlung. Du hast eine Fantasieerzählung geschrieben. Du bist ein sehr lieber und gutmütiger Junge. Solche Menschen werden in der Geschäftswelt nur ausgenützt. Mit viel Glück wirst du vielleicht den Hauptschulabschluss schaffen. Du kommst aus ärmlichen Verhältnissen und kannst vermutlich nicht einmal das nötige Geld für Investitionen aufbringen. Ich gebe dir die Chance, deine Note zu verbessern, indem du deinen Aufsatz auf einen realisierbaren Traum umschreibst.“
Traurig zeigte der Junge den Aufsatz seiner Mutter. Diese war sehr betroffen und nahm ihren Sohn liebevoll in die Arme. Sie sagte zu ihm: „Jeder Mensch ist für sein Leben selbst verantwortlich. Das sind deine Träume. Nur du kannst entscheiden, wie wichtig und real diese für dich sind.“
Am nächsten Tag gab er seinen ursprünglichen Aufsatz der Lehrerin
zurück und sagte: „Ich nehme diese Note an und bleibe bei meinen
Träumen!“
Jahre später investierte der Junge zur richtigen Zeit in der richtigen Branche und wurde reich. Er gründete viele erfolgreiche Firmen. In Interviews wurde er immer wieder nach dem Geheimnis seines Erfolges befragt. Er gab stets zur Antwort: „Ich ließ mir meine Träume nicht nehmen!“

Lüge

Lüge

 

Diese Geschichte trug sich vor weit über hundert Jahren zu. Sie spielt angeblich in England.

Thomas war ein wissbegieriger, kleiner Junge. Daher konnte er es kaum erwarten, endlich in die Schule zu kommen. Da er jedoch seit seiner Geburt schwerhörig war, tat er sich schwer, den Erklärungen und Anweisungen seiner Lehrer zu folgen.

Eines Tages überreichte ihm der Schulleiter einen versiegelten Brief, welchen er seiner Mutter aushändigen sollte. Als die Frau dieses Schreiben las, traten ihr Tränen in die Augen. Besorgt wollte Thomas wissen, was in dem Brief geschrieben stand. Da las ihm seine Mutter Folgendes vor: „Ihr Sohn verfügt über außergewöhnliche Begabungen. An unserer Schule fehlen uns die Möglichkeiten, den Jungen zu fördern. Daher bitten wir Sie, Ihren Sohn selbst zu unterrichten.“

Jahre später machte Thomas weltweit Schlagzeilen, denn er galt mittlerweile als einer der größten Erfinder seiner Zeit. Als er nach dem Tod seiner Mutter ihre Unterlagen durchsah, entdeckte er dabei den Brief, welchen er damals von der Schule erhalten hatte.

Als er diesen las, traten ihm, wie damals seiner Mutter, Tränen in die Augen. Es stand geschrieben: „Ihr Sohn ist nicht nur schwerhörig, sondern auch geistig behindert. Daher können wir ihn an unserer Schule nicht weiter unterrichten!“